Eine ZDF-Sendung und neues Fahndungssystem sollen endlich Hinweise auf den Täter bringen. Vier von zehn “Akte-Fälle“ werden aufgeklärt.

Heidenheim. Auf den ersten Blick mag die Zahl beeindrucken: 98 Prozent beträgt die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten in Baden-Württemberg. So gut wie jeder Mörder und Totschläger im Ländle wird geschnappt. Und wenn alles nichts hilft, ist da immer noch "Aktenzeichen XY...ungelöst". Vier von zehn mysteriösen Fällen, die die Fahnder im Fernsehen präsentieren, werden nach der Ausstrahlung aufgeklärt.

Doch ausgerechnet eines der spektakulärsten Verbrechen der vergangenen Jahre droht nicht nur die guten Quoten, sondern auch das Image der Baden-Württemberger Ermittler zu belasten. Maria Bögerl, Ehefrau eines Heidenheimer Sparkassendirektors, wurde vor über zwei Jahren entführt und erstochen. Bis heute läuft ihr Mörder frei herum, ohne dass die Polizei auch nur eine heiße Spur zu bieten hätte. Auch ein Auftritt der Familie in der Fahndungssendung kurz nach ihrem Verschwinden blieb ohne Erfolg. Dennoch will es die Bögerl-Sonderkommission "Flagge" in ihrer Not nun noch einmal mit "Aktenzeichen XY" versuchen.

+++ Fall Bögerl: Ermittler sammeln Spuren im Wald und in Thüringen +++

Ihre ganze Hoffnung setzen die 16 Ermittler dabei auf ein neues Fahndungssystem, das vom Innenministerium entwickelt wurde und im Fall Bögerl zum ersten Mal ausprobiert wird. Soko-Chef Volker Zaiss hofft, dass sich der eine oder andere Bürger per Internet meldet. Tippgeber bleiben anonym und unauffindbar, wenn sie wollen. Nie zuvor wurde eine telegene Verbrecherjagd derart aufwendig in Szene gesetzt wie die Bögerl-Folge, die heute Abend 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Ein 30 Minuten langer Film soll Hinweise aus der Bevölkerung bringen. Das gab es in 45 Jahren "Aktenzeichen XY" noch nie. Unklar ist, ob es so vielversprechende Ansätze gibt, dass noch einmal mit gewaltigem Fahndungsdruck an die Sache gegangen werden soll. Oder ob die Ermittler trotz Tausender DNA-Proben und trotz zahlloser Hinweise, die sie überprüft haben, keinen Schritt weitergekommen sind.

Tatsächlich scheinen die Chancen gering, dass nach 26 Monaten noch der entscheidende Hinweis kommt. Zu viele Fehler hat die Polizei bei der Fahndung gemacht. Gleich nach der Tat etwa waren die Beamten mit Blaulicht zum Haus von Bögerl gerast und hatten dadurch dem Entführer womöglich ihr Eingreifen kundgetan. Erst zwei Jahre später, im April dieses Jahres, durchkämmten Einheiten noch einmal mit eigens abgerichteten Hunden das Waldgebiet rund um den Fundort der Leiche. Der Film über die attraktive 54-Jährige soll nun endlich einmal alle Beweisstücke präsentieren und den kompletten Ermittlungsstand aufzeigen. Soko-Leiter Volker Zaiss wird selbst im Studio bei "Aktenzeichen XY" darstellen, warum er so viele Hoffnungen unter anderem auf eine Zigarettenmarke namens Gizeh setzt. Denn davon fand die Polizei gleich mehrere Stummel im Klosterhof.

+++ Spuren im Wald gefunden - Wende im Mordfall Bögerl? +++

Im Film wird natürlich auch jene Stelle an der Autobahn eine Rolle spielen, wo Thomas Bögerl mit beträchtlicher Verspätung die 300 000 Euro Lösegeld abgestellt hatte. Dort hatte der damals 56-Jährige auch, wie vom Entführer verlangt, eine Deutschlandfahne aufgestellt. So ist die Sonderkommission zu ihrem Namen "Flagge" gekommen. Doch das Geld, bei dessen Beschaffung es viele Schwierigkeiten gegeben hatte, wurde nie abgeholt. Zwei Tage später entdeckten Spaziergänger die Leiche der Frau. Nicht einmal das hatte die Polizei selbst geschafft - obwohl das Gebiet, wo der Körper gleich neben einem Weg nur notdürftig mit Reisig bedeckt lag, von Suchtrupps durchkämmt worden war.

Doch selbst wenn durch den Film bei "Aktenzeichen XY" neue Spuren auftauchen, die Familie ist an dem Verbrechen längst zerbrochen. 16 Monate nach dem Tod seiner Frau hat sich Bögerl zu Hause erhängt. Nachdem die Polizei wochenlang erfolglos gefahndet hatte, waren übers Internet Gerüchte aufgekommen, er habe die Entführung selbst inszeniert. Beweise dafür fanden sich ebenso wenig wie für die ihm angedichtete Geliebte.

"Aktenzeichen XY" heute, 20.15 Uhr, ZDF