Maria Bögerls Leiche wurde nach 22 Tagen entdeckt. Musste die Bankiers-Ehefrau sterben, weil das Lösegeld zu spät kam?

Heidenheim. Viele hatten die traurige Nachricht schon geahnt, als die Polizei Heidenheim (Baden-Württemberg) am Freitagnachmittag damit an die Öffentlichkeit ging: Maria Bögerl, Ehefrau des Heidenheimer Kreissparkassenchefs Thomas Bögerl, ist tot. Nach der Obduktion in der Rechtsmedizin Ulm stand fest: Es ist die Leiche der 54-Jährigen, die ein Spaziergänger mit Hund am Donnerstagabend in einem Waldstück nördlich von Heidenheim entdeckt hatte. Die Entführte ist an Stichverletzungen gestorben, teilte der Leitende Polizeidirektor in Heidenheim, Volker Lück, mit.

Die Tote lag unter einem Reisighaufen zwischen den Ortschaften Nietheim und Niesitz. In der Nähe der Fundstelle, rund zehn Kilometer vom Wohnhaus der Familie Bögerl entfernt, war die Polizei vor drei Wochen auch auf das Handy der Vermissten gestoßen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Tote erst später im Wald abgelegt wurde

Der Leichenfundort liegt zudem nur etwa einen Kilometer von der Autobahnausfahrt entfernt, an der Thomas Bögerl am 12. Mai, dem Tag der Entführung, 300 000 Euro Lösegeld ablegte. Wie jetzt bekannt wurde, konnte es nicht rechtzeitig dort deponiert werden, weil die Zeit zu knapp war, um die sehr detaillierten Vorgaben des Entführers zu erfüllen. Der Erpresser soll der Stimme nach "mittleren Alters sein und im ortsüblichen schwäbischen Dialekt gesprochen haben", teilte Lück mit.

Mit Einsatzhundertschaften hatte die Polizei in den Tagen nach dem 12. Mai ein Gebiet von 15 Quadratkilometern durchkämmt. Die Ermittler rätseln darüber, ob die Suchmannschaften in den vergangenen Wochen die Frauenleiche übersehen haben. Möglicherweise seien an der Stelle nur Bereitschaftspolizisten ohne Suchhunde eingesetzt worden. "Wir hatten in diesem Abschnitt keine Hunde", sagte Polizeisprecher John Brauer. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass die Leiche erst später am Waldrand abgelegt wurde.

Es sei "schrecklich", sagt die Verkäuferin einer Optikerfiliale in der Innenstadt, in deren Schaufenster das Fahndungsplakat mit einem Foto der Entführten hängt. "Ich glaube, dass es ein Racheakt ist von jemandem, der vielleicht keinen Kredit gekriegt hat", mutmaßt die junge Frau. Die Inhaberin eines Wäschegeschäfts wünscht sich, dass der Täter nun schnellstmöglich gefasst wird. Jedes zweite Geschäft zeigt das Fahndungsplakat. Niemand nimmt es ab, nachdem die furchtbare Nachricht sich verbreitet hat.

Die Polizei hofft auf neue Spuren. In einer flachen Kuhle unter einer Buche hatte der Entführer sein Opfer abgelegt und mit Ästen bedeckt. Der Ort an einem Feldweg, der mit einem Auto angefahren werden kann, wirkt zufällig gewählt, in großer Eile, ohne Planung. Der Verdacht, der sich längst innerhalb der Sonderkommission "Flagge" festgesetzt hat, dass hier kein Profi am Werk war, bekommt neue Nahrung. Jemand, der planvoll vorgegangen wäre, hätte wohl zumindest ein Loch gegraben, sagt ein Ermittler am Leichenfundort.

Dutzende Polizisten suchten am Freitagnachmittag erneut die Gegend im Wald bei dem Örtchen Nietheim ab. Man hoffe auf eine Spur, etwas Verräterisches, das auf den Täter hindeuten könnte, so ein Polizeisprecher. Schon die ganze Nacht lang waren Spurenspezialisten der Polizei vor Ort gewesen, hatten Gipsabdrücke von Fußspuren genommen, Reifenspuren untersucht, jeden Ast und jeden Stock umgedreht.

Die Sonderkommission "Flagge" sucht weiter dringend nach Zeugen

Dringender denn je wird der Mann gesucht, von dem die Sonderkommission am 1. Juni ein Phantombild veröffentlicht hat. Er war am 12. Mai in Nietheim gesehen worden. Er ist 30 bis 40 Jahre alt, etwa 1,80 Meter groß, war mit einem ockerfarbenen T-Shirt, einer schwarzen Jacke und grauen Jeans bekleidet. Die dunklen, schulterlangen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die Beobachtung könnte nun, da Maria Bögerls Leiche nur wenig entfernt gefunden wurde, eine neue Bedeutung bekommen. Doch die Heidenheimer Polizei wiegelt ab. "Der Zeuge ist nach wie vor ein Zeuge."