Polizei und Witwer stellen Tag der Entführung unterschiedlich dar. Ergreifende Trauerfeier für die Bankiersgattin

Heidenheim. Carina Bögerl, 27, schluchzt so stark, dass sie kaum die Worte hervorbringt. Ihrem Bruder Christoph laufen während der verzweifelten Ansprache unentwegt Tränen übers Gesicht. "Mein Verstand kann es nicht verstehen, mein Herz kann es nicht akzeptieren", sagt der 24-Jährige und blickt verstört auf den mit Rosen geschmückten Sarg seiner Mutter. Und dann, als Carina den gemeinsamen Abschied kaum hörbar beendet: "Mama, ich vermisse dich, du fehlst mir so, ich vermisse dich, ich liebe dich", von diesem Moment an weint die ganze Kirche.

1000 Menschen besuchten den Trauergottesdienst

Mit einem bewegenden Trauergottesdienst haben rund 1000 Menschen in Heidenheim Abschied genommen von Maria Bögerl, die von einem noch unbekannten Entführer ermordet worden ist. Den beiden Kindern und Maria Bögerls Ehemann Thomas standen an diesem schweren Tag in der katholischen Dreifaltigkeitskirche Verwandte und Freunde zur Seite, aber auch unzählige Bekannte, Nachbarn und Kollegen. Viele verfolgten den Gottesdienst, der mit Lautsprechern übertragen wurde, auf dem Vorplatz. Und vielen sprach der Passauer Joachim Eder dabei aus der Seele. Eder, ein Freund der Familie, hatte Thomas und Maria Bögerl einst getraut. "Es ist die Sinnlosigkeit dieses Todes, die nicht zu begreifen ist und die uns so sehr Angst macht", sagte er. "Da ist Leid und Trauer, Wut und eine unglaubliche Leere. In Heidenheim ist nichts mehr so, wie es einmal war."

Den Bögerls, das ist deutlich zu spüren an diesem Nachmittag, gehörte schon vor dem tragischen Verbrechen viel Sympathie in dem Kreisstädtchen. Thomas Bögerl, der örtliche Sparkassendirektor, ist seit Jahren in der Öffentlichkeit bekannt. Seine Frau, eine leidenschaftliche Tennisspielerin, war oft bei offiziellen Terminen dabei, spendierte für Sportfeste Selbstgebackenes. Eine "nette, bodenständige Frau", so das einhellige Urteil. Warum traf es gerade sie? Sicher, die Bögerls waren wohlhabende Leute, aber in dem Städtchen an der Brenz gibt es viel reichere Einwohner. Nicht zuletzt deshalb glauben die Ermittler an einen Täter aus dem Umfeld, möglicherweise einen unzufriedenen Kunden der Sparkasse.

Darauf könnte auch die kurze Zeitspanne zwischen Lösegeldforderung und Übergabezeitpunkt hinweisen, vor allem aber die geringe Lösegeldforderung von 300 000 Euro. Thomas Bögerl, munkelt man während der Trauerfeier hinter vorgehaltener Hand, habe als Sparkassenchef angeblich Verfügungsgewalt über genau diesen Betrag gehabt.

Seit dem 12. Mai hatten die Bögerls um das Leben der 54-jährigen Entführten gebangt, bis am Donnerstag vergangener Woche nach der Obduktion einer zufällig gefundenen Leiche jede Hoffnung schwand. Doch eine heiße Spur, wer das Verbrechen begangen haben könnte, gibt es noch nicht. Befragt man die Statistik und die Erfahrung von Kriminalisten, stehen die Chancen eigentlich sehr gut, den Täter zu fassen. 90 Prozent aller Morde werden aufgeklärt.

Doch bei der 80 Köpfe starken Sonderkommission "Flagge" und der zuständigen Staatsanwaltschaft Ellwagen herrscht derzeit wenig Zuversicht. Denn der Fall Bögerl wird immer verworrener. Nicht nur, dass das Verhalten des Täters - die Polizei geht von einem einzelnen Mann aus - schlecht in die üblichen Muster passt. Das geforderte Lösegeld war zu gering, der Übergabeort und das Versteck der Leiche waren offenbar hastig und übereilt gewählt. Auch ist einen Monat nach der Tat noch immer unklar, woran die Übergabe der 300 000 Euro scheiterte. Mittlerweile gibt es sogar offenen Dissens zwischen den Ermittlern und Bögerl über die Frage, wer das Geld überhaupt beschaffen sollte. Nach einem Bericht des Magazins "Stern" soll das Lösegeld von Bögerl 27 Minuten zu spät am Übergabeort abgeladen worden sein. Die geforderten 300 000 Euro hätten wegen bürokratischer Vorgaben bei einer für solche Fälle stets zuständigen Frankfurter Großbank besorgt werden müssen und seien daher zu spät angekommen.

Thomas Bögerl dementiert die Darstellung der Polizei

Umgehend dementierten die Behörden: Der Erpresser habe das Geld in einer "atypischen" Stückelung verlangt und die Zeit sei einfach zu knapp gewesen sei. Vor allem aber habe Thomas Bögerl von Beginn an darauf bestanden, den Betrag allein zusammenzustellen. Diese Darstellung wiederum bestreitet nun der Witwer laut "Stuttgarter Nachrichten": "Ich habe nie darauf bestanden, das Lösegeld selbst zu besorgen. Der Betrag wurde besorgt", hieß es. Bisher hat die Polizei nur das Phantombild eines Mannes mit Pferdeschwanz. Er war am Entführungstag in der Nähe des Leichenfundortes als Anhalter gesehen worden und wird als Zeuge gesucht.