Nach dem verheerenden Erdrutsch in Nachterstedt soll der Hang am Concordia-See nun möglicherweise gesprengt werden.

Nachterstedt. Knapp eine Woche nach dem Erdrutsch im sachsen-anhaltinischen Nachterstedt soll der zerstörte Hang am Concordia See möglicherweise gesprengt werden. Der Grund: Der ganze Bereich ist einsturzgefährdet und es besteht akute Lebensgefahr. Die Anwohner der beiden Häuser, die in die Tiefe gerissen wurden, wurden vorerst in Ferienwohnungen untergebracht. Sie können nicht mehr auf ihre Grundstücke zurückkehren. Am Erdrutsch-Hang wurden bereits weitere Risse entdeckt.

Das akut von weiteren Erdrutschen bedrohte Ufer könne nicht ewig sich selbst überlassen bleiben, sagte der Chef der für die Flutung des Tagebau-Restlochs zuständigen Gesellschaft LMBV,Mahmut Kuyumcu. „Wenn das nicht von allein absackt, muss man das eben herbeiführen.“ Auf dem Hang stehen noch sieben Häuser, die nach dem Unglück am Samstag evakuiert wurden und seitdem unbewohnbar sind. Vor der möglichen Sprengung müsse mit der Staatsanwaltschaft und Gutachtern geklärt werden, wie viel Zeit sie am Unglücksort zur Ermittlung der zur Ursache benötigten.

Die Gemeinde hat sich allerdings ebenfalls vorgenommen, den See wieder zu sanieren, so dass er von Touristen wieder genutzt werden kann. „Unser Ziel ist, dass diese Region mit ihren Menschen eine Zukunft hat“, sagte Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU). Wann der See, der noch nicht komplett geflutet ist, wieder genutzt werden könne, sei noch nicht klar - ebenso die Kosten. Die LMBV will ein Sanierungskonzept erarbeiten. Nachterstedt galt vor der Katastrophe, bei der drei Menschen starben, als Erholungsort.



Nun werde mit Hochdruck die Unglücksursache ermittelt, versicherte Kuyumcu. „Wir tun alles, um die Ursache des Unglücks aufzuklären. Wir kennen die Ursache aber noch nicht.“ Sein Unternehmen - die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) - und die Behörden hätten zu keinem Zeitpunkt Anzeichen dafür gehabt, dass ein solches „Böschungsversagen“ eintreten könnte.


Für Nachterstedt und die anderen 50 Seen in früheren Braunkohletagebauen im Osten müssen jetzt Folgerungen gezogen werden. Bei der Sanierung von 100 000 Hektar früherer Braunkohlegebiete, der „größten Landschaftsbaustelle Europas“, habe es mehrmals Böschungsrutsche gegeben. Im Unterschied zu der Katastrophe von Nachterstedt seien diese Ereignisse aber von Experten erwartet worden. Der nach dem Unglück ausgerufene Katastrophenalarm wurde inzwischen wieder aufgehoben. Der Bereich um den Concordia-See war nach dem Unglück, bei dem 41 Menschen ihr Heim verloren, zum lokalen Katastrophengebiet erklärt worden, um den Hilfseinsatz möglichst reibungslos zu organisieren.


Einige Fachleute hatten in den vergangenen Tagen erklärt, das Unglück sei vorherzusehen gewesen, andere hatten dem widersprochen. Die Absenkung, die ein Anwohner vor Jahren in seinem Garten bemerkte, sei der LMBV nicht bekannt gewesen, sagte Kuyumcu. Der Anwohner hatte das Ereignis seinerzeit nicht den Behörden gemeldet, dies jetzt aber der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Die Bergämter in Sachsen und in Brandenburg warnten vor voreiligen Konsequenzen. „Panikmache ist nicht angesagt“, sagte der Sprecher des Sächsischen Oberbergamtes, Peter Horler. Nach Angaben des Brandenburger Bergamtschefs Klaus Freytag werden Sanierungsarbeiten an dortigen Tagebauen wie geplant weitergeführt.


In der Nacht zum vergangenen Sonnabend war ein lautes Grollen durch die 2000-Einwohner-Gemeinde gegangen und hatte die Menschen geweckt. Daraufhin stürzten gewaltige Erdmassen den Hang am Concordia-See hinunter und rissen ein Doppelhaus und die Hälfte eines Mehrfamilienhauses in die Tiefe. Drei Menschen kamen dabei ums Leben. Sie hatten keine Chance, zu entkommen.


Heute Abend um 18 Uhr wird es in Nachterstedt einen Gedenkgottesdienst in der evangelischen Kirche geben. Für Sachsen-Anhalts Landesregierung wird Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) teilnehmen. Eine Trauerfeier in größerem Rahmen soll später noch einmal veranstaltet werden.