Massenandrang vor dem Gericht in Perugia: Das Urteil im Berufungsprozess gegen Amanda Knox, den „Engel mit den Eisaugen“, steht an. Knox beteuert nochmal, die Studentin Meredith Kercher nicht umgebracht zu haben. Die Familie des Opfers hofft auf Gerechtigkeit.

Perugia. Amanda Knox – auch als „Engel mit den Eisaugen“ bekannt – hat in ihrem Berufungsprozess wegen Mordes noch einmal ihre Unschuld beteuert. „Ich bezahle mit meinem Leben für etwas, was ich nicht getan habe“, sagte die 24 Jahre alte Amerikanerin mit zitternder Stimme am Montag vor dem Gericht im italienischen Perugia. Ihr mitverurteilter Ex-Freund Raffaele Sollecito äußerte sich ähnlich.

Zum Abschluss des Prozesses um die Ermordung der britischen Studentin Meredith Kercher erinnerte die Familie der Ermordeten an das Opfer. „Meredith ist fast in Vergessenheit geraten“, sagte die Schwester Stephanie Kercher vor der Urteilsverkündung. „Wir sind heute hier, in dieser Stadt, die Meredith liebte, um an sie zu erinnern, um Gerechtigkeit für sie zu bekommen.“

Knox und Sollecito wurden 2009 für schuldig erklärt und zu 26 und

25 Jahren verurteilt, weil sie Kercher 2007 bei ausufernden Sexspielen getötet haben sollen. Grund soll gewesen sein, dass die Britin nicht mitmachen wollte. Langweile und Drogengenuss hätten ebenfalls eine Rolle gespielt.

Knox – von den Medien wegen ihres guten Aussehens als „Engel mit den Eisaugen“ getauft – sagte am Montag in fließendem Italienisch vor dem Geschworenengericht: „Ich bezahle mit meinem Leben für etwas, was ich nicht getan habe.“ Und: „Ich habe nicht getötet, ich habe nicht vergewaltigt, ich war nicht da.“ Knox betonte laut einem Bericht des Senders BBC: „Ich bin nicht die, für die viele mich halten. Die Perversion, die Gewalt, der fehlende Respekt vor dem Leben – ich habe diese Sachen nicht getan, auch wenn sie sagen, ich hätte es.“

Die junge Frau flehte: „Ich will wieder zurück nach Hause. Ich möchte wieder mein Leben leben. Ich will nicht bestraft werden. Ich will nicht, dass mein Leben und meine Zukunft zerstört werden für etwas, das ich nicht getan habe, denn ich bin unschuldig.“

Die britische Austauschstudentin Meredith Kercher (21) war am 2. November 2007 mit durchschnittener Kehle, vergewaltigt, halbnackt und von Messerstichen übersät in ihrer und Knox’ gemeinsamer Wohnung in Perugia gefunden worden. Knox und der drei Jahre ältere Italiener waren zwei Jahre später in einem der spektakulärsten Indizienprozesse der italienischen Geschichte für die Tat zu 26 beziehungsweise 25 Jahren Haft verurteilt worden.

Das von mehr als 400 internationalen Medienvertretern belagerte Geschworenengericht wollte nach den abschließenden Beratungen am späten Montagabend sein Urteil bekanntgeben.

Seit November 2010 versuchen Knox und Sollecito, in dem Berufungsprozess ihre Unschuld zu beweisen. Die Familie des Opfers sagte: „Ohne eine abschließende Entscheidung ist es schwierig, irgendetwas oder irgendjemand zu vergeben.“

Der Ausgang des Verfahrens war bis zuletzt unklar, Beobachter und Medien hielten allerdings einen Freispruch für wahrscheinlich. Zu den Hauptargumenten der Verteidiger, die auf Freispruch plädierten, gehörten Verfahrensfehler bei der Spurensicherung. Diese hätten die wichtigsten DNA-Beweise der Anklage nichtig gemacht. Das habe ein unabhängiges Gutachten bestätigt.

So seien undeutliche DNA-Spuren auf einem Büstenhalter des Opfers sichergestellt worden, der erst 46 Tage nach der Tat überhaupt gefunden worden sei. Auch die auf dem mutmaßlichen Mordmesser festgestellten DNA-Spuren Amandas seien offensichtlich verunreinigt, hielten Rechtsmediziner fest. Man könne „mehrere genetische Profile“ darin erkennen. Die Staatsanwälte wiesen diese These bis zuletzt kategorisch zurück und forderte für Knox und ihren Ex-Freund eine lebenslange Haftstrafe. Lebenslang heißt in Italien im Unterschied zu Deutschland ohne zeitliche Begrenzung.

Ein Mittäter wurde in dem Mordfall in einem Schnellverfahren zu 16 Jahren wegen Beihilfe verurteilt. Er trat später als Belastungszeuge der Anklage auf.