Der japanische Chef der IAEA, Amano, ändert seine Haltung und kritisiert Betreiber Tepco für unzureichende Sicherheitsvorkehrungen.

Wien/Tokio/Moskau. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hat den Betreiber des japanischen Katastrophen-AKW in Fukushima wegen unzureichender Sicherheitsmaßnahmen kritisiert. Tepco habe nicht genug Vorsorge betrieben, sagte der japanische IAEA-Chef Yukiya Amano. Zudem forderte er eine Stärkung der nuklearen Sicherheit weltweit, um solche Atomunfälle künftig zu vermeiden.

„Rückblickend betrachtet waren die Maßnahmen des Betreibers nicht ausreichend, um diesen Unfall zu verhindern“, sagte Amano am Montag in Wien auf die Frage, ob der Unfall von Fukushima vermeidbar gewesen wäre. Damit änderte der Chef der UN-Behörde, deren Aufgabe die friedliche Förderung der Atomenergie ist, seine ursprüngliche Haltung. In seiner ersten Reaktion am 14. März hatte Amano noch kaum kontrollierbare Naturkräfte für den Unfall in Fukushima verantwortlich gemacht – und nicht etwa menschliches Versagen oder falsches Design. Das Kraftwerk wurde durch ein Erdbeben und einen Tsunami am 11. März beschädigt.

Eine Lehre aus Fukushima muss aus Sicht Amanos sein, dass die Atomkraftwerke weltweit sicherer gemacht werden. „Wir können nicht die „business as usual“-Haltung einnehmen“, sagte er am Morgen zum Auftakt der fünften Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (Convention on Nuclear Safety). Die Sorgen von Millionen Menschen weltweit müssten ernst genommen werden.

„Es ist offensichtlich, dass mehr für die Sicherheit von Atomkraftwerken getan werden muss, um das Risiko eines künftigen Unfalls signifikant zu reduzieren“, erklärte Amano.

Die schon lange vor dem Nuklearunfall geplante Konferenz dauert bis zum 14. April. Konkrete, für die Öffentlichkeit ersichtliche Ergebnisse werden von dem Expertentreffen nicht erwartet.

Am Montagabend setzten sich Ländervertreter, Atomindustrie und Regulierungsbehörden in einem zweistündigen Sondertreffen mit dem Atomunfall in Fukushima auseinander. Auch Vertreter der japanischen Atomsicherheitsbehörde Nisa und des Fukushima-Betreibers Tepco kamen. Die verschiedenen Präsentationen hätten jedoch keine neuen Informationen enthalten, sagten Beteiligten des Treffens danach. Lediglich Russland habe in der anschließenden Fragerunde die Japaner wegen ihrer spärlichen Informationen aus den Unglücksreaktoren kritisiert, hieß es aus IAEA-Kreisen.

Die bisher öffentlich nur wenig beachtete Überprüfungskonferenz bildet aber ein erstes Forum für die Debatte um veränderte nukleare Sicherheitsstandards. Sie soll unter anderem im Juni bei einer Konferenz der 151 IAEA-Mitgliedsländer auf Regierungsebene fortgesetzt werden.

Die Konvention über nukleare Sicherheit wurde als Reaktion auf die Atomkatastrophe von Tschernobyl (1986) ausgearbeitet. Sie soll die nukleare Sicherheit weltweit verbessern. Alle 72 Staaten mit aktiven Atomkraftwerken haben sie unterzeichnet.

Neben dieser Konvention gibt es noch weitere internationale Abkommen – etwa die Konvention über die frühe Bekanntmachung von radioaktiven Unfällen. Allen Übereinkommen und von der IAEA empfohlenen Standards gemeinsam ist, dass sie kaum bindend sind. Und dass ihre Umsetzung auch nicht überprüft werden kann.

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Russisches Spezialschiff soll verstrahltes Wasser aufbereiten

Mit einem Spezialschiff zur Entsorgung von Atommüll will Russland beim Abpumpen von radioaktiv verseuchtem Wasser aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima helfen. Die schwimmende Aufbereitungsanlage „Landysch“ (Maiglöckchen) war vor zehn Jahren für etwa 35 Millionen US-Dollar (rund 25 Millionen Euro) von Japan finanziert worden, um Abfall von ausgemusterten russischen Atom-U-Booten unschädlich zu machen. Die Leihgabe sei ein symbolischer Akt, sagte ein Sprecher des Staatsunternehmens Rosatom am Montag nach Angaben der Agentur Ria Nowosti. „Wir sind bereit, unseren Freunden zu helfen - so, wie sie uns einst geholfen haben.“

Der japanische Atomkraftwerk-Betreiber Tepco hatte am Montagabend (Ortszeit) damit begonnen, radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer abzuleiten. Die verstrahlten Wassermassen in verschiedenen Teilen der Atomruine behindern das weitere Vorgehen der Arbeiter. Das Spezialschiff „Landysch“ kann bis zu 7000 Kubikmeter flüssigen radioaktiven Müll pro Jahr aufbereiten.

Kampf gegen Atomleck: Japan leitet verseuchtes Wasser ab

Um das Atomkraftwerk Fukushima unter Kontrolle zu bringen, wird der Betreiber Tepco 11.500 Tonnen verstrahltes Wasser ins Meer leiten. Die Wassermassen in verschiedenen Teilen der Atomruine hindern die Arbeiter daran, die Kühlung der Reaktoren in Gang zu bringen. Währenddessen versuchen die Arbeiter weiter, ein kürzlich entdecktes Leck an Reaktorblock 2 zu schließen. Durch die undichte Stelle fließt unkontrolliert Wasser ins Meer.

Die Flüssigkeit, die Tepco kontrolliert ableiten will, strahlt nach Angaben des Unternehmens nur schwach. Wie der Energiekonzern am Montag mitteilte, liegt die Radioaktivität des Wassers um das 100-Fache über dem gesetzlichen Grenzwert.

Die unter Lebensgefahr arbeitenden Helfer konnten bisher nicht herausfinden, über welchen Weg Wasser unkontrolliert ins Meer strömt. Versuche, das Leck mit Hilfe chemischer Bindemittel zu stopfen, scheiterten. Das Wasser hatte sich im Untergeschoss des Turbinengebäudes von Reaktor 2 sowie in einem tunnelförmigen Verbindungsrohr angesammelt.

Waren aus Japan: Das sollten sie wissen

Am Wochenende war zunächst versucht worden, den 20 Zentimeter langen Riss in der Wand eines Kabelschachtes am Ende des Rohrs mit Zement zu schließen. Als dies nichts brachte, gossen die Männer durch ein Loch ein chemisches Bindemittel, das zusätzlich mit Sägemehl und geschredderten Zeitungen angereichert wurde, in das Verbindungsrohr.Doch auch dies zeigte keine Wirkung. Daraufhin kippten die Arbeiter am Montag ein weißes Pulver in das tunnelförmige Verbindungsrohr, um über die Färbung den Verlauf des Wassers aufzuspüren. Doch auch nach Stunden wurde an dem Riss kein gefärbtes Wasser festgestellt.

Industrie verschärft Kontrollen von Fisch aus dem Pazifik

Während die Suche nach dem genauen Verlauf des Wassers weitergeht, erwägt Tepco, im Meer Barrieren zu errichten, um eine Ausbreitung der radioaktiven Partikel in den Pazifischen Ozean einzudämmen. Dies wird laut Atomaufsichtsbehörde vermutlich einige Tage dauern.

Das in dem Kabelschacht angesammelte radioaktiv verseuchte Wasser stammt vermutlich aus dem Reaktor Nummer 2, wo es bei den Kernbrennstäben zu einer Kernschmelze gekommen war. Die Verstrahlung des im Kabelschacht gefundenen Wassers mit Jod-131 liegt laut Tepco um das 10.000-Fache über der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgrenze.

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Doch offensichtlich entweicht nicht nur über das Wasser Radioaktivität in die Umwelt, sondern auch über die Luft. Auch mehrere Gemüsesorten sind bereits verstrahlt und dürfen auf Weisung der Behörden nicht mehr verkauft werden, was die Landwirtschaft schwer trifft. In der Unglücksprovinz Fukushima, wo auch das havarierte Kernkraft liegt, sind nun auch in Shiitake-Pilzen radioaktive Substanzen gefunden worden. Die Provinzregierung wies 23 Pilzbauern an, keine der Pilze auszuliefern.

Wegen der ungelösten Atomkrise in Fukushima zweifelt die japanische Regierung inzwischen an den eigenen Klimaschutzzielen. Es könne sein, dass das Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 überdacht werden muss, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.