Ein Leck im Atomkraftwerk Fukushima kann nicht abgedichtet werden. 11.500 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser werden ins Meer geleitet.

Hamburg/Tokio. Der Betreiber des havarierten japanischen Atomkraftwerks Fukushima wird 11.500 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer leiten. Es handele sich um Wasser, das sich in den schwer beschädigten Anlagen des von Tepco betriebenen Atomkraftwerks angesammelt habe, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji am Montag. Ein Tepco-Sprecher führte aus, es gehe um 10.000 Tonnen Wasser, das in Behältern gesammelt sei, und um 1500 Tonnen in den Reaktoren 5 und 6. Das Wasser sei nur schwach radioaktiv. „Wir haben keine andere Wahl, als dieses kontaminierte Wasser als Sicherheitsmaßnahme in den Ozean zu leiten“, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.

Durch einen rund 20 Zentimeter langen Riss im Bereich des Reaktorgebäudes 2 war am Wochenende bereits radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik gelaufen. Nach Angaben von Tepco hatten Arbeiter am Sonnabend zunächst versucht, den Riss mit Beton zu verschließen. Da dieser Versuch scheiterte, setzten sie am Sonntag eine Mischung aus Kunstharz, Zeitungspapier und Sägespäne ein. Auch hier blieb ein Erfolg vorerst aus. Durch den Riss war radioaktiv verseuchtes Wasser von den Kühlarbeiten am Reaktordruckbehälter, das sich im Untergeschoss des an den Reaktor angrenzenden Turbinengebäudes gesammelt hatte, in eine Betongrube gelangt. Von dort aus war es in den Ozean geflossen.

Ratlos vor dem Reaktor in Fukushima

Aus einem Riss im Betonsockel des Reaktors 2 im schwer beschädigten japanischen Atomkraftwerk Fukushima strömt hoch radioaktiv verstrahltes Wasser ins Meer. Im Seegebiet um Fukushima wurde inzwischen das 4000-Fache des erlaubten Strahlenwertes gemessen. Die umstrittene Betreiberfirma Tepco gab an, die Strahlenbelastung des aus dem Reaktor 2 auslaufenden Wassers betrage 1000 Millisievert pro Stunde. Normal ist eine Belastung zwischen einem und zehn Millisievert - pro Jahr.

Der Greenpeace-Experte Wolfgang Sadik bezeichnete diese Werte als "lebensbedrohlich".

Versuche, das Leck mit Beton abzudichten, schlugen am Wochenende fehl - der Beton konnte wegen der großen Menge ausströmenden Wassers nicht aushärten. Auch der Versuch, den Riss mit Kunstharz zu stopfen, blieben zunächst erfolglos. Da die rund 400 Arbeiter im havarierten Kernkraftwerk fast rund um die Uhr unter sehr riskanten Bedingungen arbeiten müssen und entsprechend erschöpft sind, versucht die Firma Tepco jetzt offenbar, Experten aus anderen Unternehmen für einen Lohn von rund 3500 Euro pro Schicht abzuwerben.

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Der Berater von Regierungschef Naoto Kan, Goshi Hosono, räumte ein, dass sich die Bemühungen um einen Stopp des Strahlungsaustritts vermutlich noch etliche Monate hinziehen werden. Die Regierung rechne mit "einer langen Schlacht", sagte Hosono. Vor allem die 10 000 in Abklingbecken lagernden Brennstäbe stellen eine große Gefahr dar.

Indessen wurde am Wochenende bekannt, dass die Arbeiter in Fukushima am Mittwoch einen grausigen Fund gemacht hatten. Sie stießen auf die Leichen von zwei Technikern, die seit dem 11. März vermisst worden waren. Die Männer sind offenbar schon bei dem Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami ums Leben gekommen und aufgrund von zahlreichen schweren Verletzungen verblutet. Eine der beiden Leichen lag im stark verstrahlten Wasser. Zum Zeitpunkt der Katastrophe waren sie mit Routine-Inspektionen am Reaktor 4 beschäftigt. Der Fund der Toten wurde aus Rücksicht auf die Familien mit einigen Tagen Verzögerung bekannt gegeben.

Der Reaktorblock 4 war abgeschaltet gewesen, das Gebäude war dennoch explodiert, nachdem die heißen Brennstäbe im Abklingbecken zu lange ohne Kühlwasser blieben und sich Wasserstoffgas gebildet und dann entzündet hatte.

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Für die nächsten Tage wird das Eintreffen einer riesigen, 136 mal 46 Meter großen schwimmenden Plattform im Meer vor dem Kraftwerk erwartet. Die Plattform soll 10 000 Tonnen radioaktiv verstrahltes Wasser aufnehmen können. Die Firma Tepco hatte tagelang versucht, mithilfe von Hubschraubern, Feuerwehren und Wasserwerfern das verdampfte Kühlwasser zu ersetzen. Dieses Wasser ist aufgrund der Beschädigungen der Reaktorkerne inzwischen selbst kontaminiert, steht in den Reaktoren selber und in den bis zu 17 Meter tiefen Wartungsschächten. Es stellt eine potenziell tödliche Bedrohung für die Arbeiter im Kraftwerk dar.

Regierungschef Naoto Kan begab sich zum ersten Mal seit der Katastrophe vor drei Wochen in das betroffene Gebiet im Nordosten Japans. Im völlig zerstörten Fischerdorf Rikuzentakata sprach Kan 20 Minuten lang mit Betroffenen. Sein Krisenmanagement wird in Japan heftig kritisiert. Hunderttausende Menschen sind aus den betroffenen Gebiet geflohen oder wurden evakuiert, in einigen Notlagern gibt es noch immer weder Strom noch Wasser. Inzwischen wird befürchtet, dass fast 28 000 Menschen durch Beben und Tsunami ums Leben gekommen sein könnten. Mehr als 12 000 Leichen wurden bislang gefunden; mehr als 15 400 Menschen werden noch vermisst. Rund 1000 bereits gefundene Leichen konnten nach Angaben der Behörden noch nicht geborgen werden - sie strahlen zu stark.