Ein Nachbeben der Stärke 7,1 hat erneut den Nordosten und Osten Japans erschüttert. Eine Tsunamiwarnung für die Pazifikküste wurde wieder aufgehoben.

Tokio/Kesennuma. Ein schweres Nachbeben der Stärke 7,1 hat am Montagnachmittag (Ortszeit) den Nordosten und Osten Japans erschüttert. Die Behörden gaben eine Tsunamiwarnung für die Pazifikküste aus, hoben sie aber nach kurzer Zeit wieder auf. Es wurden aber bereits kurz nach der Erschütterung Flutwellen von einem halben Meter in der Provinz Ibaraki gemessen. Auch in der Hauptstadt Tokio gerieten Häuser stark ins Schwanken. Das Erdbebenzentrum lag im Süden der Provinz Fukushima, wo auch das havarierte Atomkraftwerk liegt. Die Arbeiter des Kernkraftwerks wurden kurzzeitig in Sicherheit gebracht.

Auf Live-Bildern des japanischen Fernsehsenders NHK war ein Feuer in der Stadt Iwaki zu sehen. Informationen über mögliche Opfer und weitere Schäden lagen zunächst nicht vor.

Die bei dem starken Nachbeben ausgefallene Kühlung in der Atomruine Fukushima läuft derweil wieder. Wie ein Sprecher der Atomaufsichtsbehörde bekanntgab, wurde die Stromversorgung wieder hergestellt. Damit konnte das Einfüllen von Kühlwasser in die Reaktoren 1, 2 und 3 nach rund 50 Minuten wieder aufgenommen werden.

Evakuierungszone um AKW Fukushima ausgeweitet

Die japanische Regierung lässt weitere Gebiete außerhalb der bestehenden Sperrzone um die Atomruine Fukushima Eins evakuieren. Derzeit gilt die Evakuierungszone nur für einen 20-Kilometer-Radius um das Atomkraftwerk. Da sich die Krise in der Anlage hinziehe, würden einige Gemeinden in einem Radius zwischen 20 und 30 Kilometern um Fukushima Eins als zusätzliche Evakuierungszonen ausgewiesen, erklärte Regierungssprecher Yukio Edano am Montag, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Den Bewohnern in diesem Gebiet war bisher empfohlen worden, in ihren Wohnungen zu bleiben. Nach Kyodo-Angaben sollen die betroffenen Bewohner innerhalb eines Monats in andere Regionen gebracht werden. Die Umweltorganisation Greenpeace verlangt schon seit Wochen eine Ausweitung der Sperrzone. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hat diesen Schritt ebenfalls empfohlen.

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Unterdessen haben die Einsatzkräfte die Lage im Kraftwerk immer noch nicht im Griff. Das Abpumpen radioaktiv verseuchten Wassers in den Ozean könnte am Montag beendet werden - Tage später als eigentlich geplant.

Greenpeace misst hohe Strahlung auf Spielplatz

Greenpeace hat in bewohnten Gebieten rund um die Atomruine von Fukushima deutlich erhöhte Strahlenwerte gemessen. Experten der Umweltschutzorganisation hätten rund 60 Kilometer von dem havarierten Kraftwerk entfernt gesundheitsgefährdende Radioaktivität im Boden festgestellt, teilte Greenpeace am Montag mit. Die Organisation forderte deshalb erneut eine Ausweitung der Evakuierungszone.

Auf einem Spielplatz in Fukushima City fand ein Team demnach Werte von bis zu vier Mikrosievert pro Stunde. In der Stadt Koriyama seien es 2,8 Mikrosievert pro Stunde gewesen. Laut Greenpeace ist die Kontamination so hoch, dass die maximal tolerierbare Dosis für die Bevölkerung von 1000 Mikrosievert pro Jahr in wenigen Wochen aufgenommen würde. Eine Analyse der Bodenproben habe ergeben, dass 80 Prozent der Radioaktivität von Cäsium-Isotopen stamme. Cäsium 137 hat eine Halbwertzeit von rund 30 Jahren, Cäsium 134 von zwei Jahren.

Waren aus Japan: Das sollten sie wissen

„Die Menschen in Fukushima City und in Koriyama müssen Langzeitfolgen befürchten, Kinder sind besonders gefährdet“, erklärte der Leiter des Klima- und Energiebereichs von Greenpeace, Thomas Breuer. „Die japanische Regierung muss endlich handeln. Es fehlen klare Informationen und ausreichende Maßnahmen, um die Bevölkerung zu schützen. Die Regierung kann nicht so tun als gehe das Leben einfach weiter“, fügte Breuer hinzu.

Die Greenpeace-Teams entdeckten auch in Gemüseproben aus Gärten und in einem Supermarkt in Fukushima City, Koriyama und Minamisoma radioaktive Belastungen, die die behördlichen Grenzwerte überschritten. Auch in Ortschaften wie Iitate und Namie seien derart hohe Kontaminationen gemessen worden, dass sie sofort evakuiert werden sollten. Greenpeace stellt seit dem 26. März an verschiedenen Orten rund um die Atomanlage Fukushima Daiichi unabhängige Strahlenmessungen an.

Japan gedenkt in Schweigeminute der Opfer der Tsunamikatastrophe

Mit einer Schweigeminute haben die Japaner der Opfer der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe vom 11. März gedacht. Genau einen Monat nach der Naturkatastrophe hielten am Montag unter anderem Rettungskräfte und Überlebende im Nordosten des Landes eine Minute inne, wie Fernsehbilder zeigten. Um 14.46 Uhr (Ortszeit; 07.46 MESZ), dem Zeitpunkt, als am 11. März das Erdbeben der Stärke 9,0 die Region erschütterte, ertönten zudem Sirenen.

In der zerstörten Stadt Kesennuma unterbrachen Soldaten ihre Suche nach in den Trümmern verschütteten Opfern. Die Soldaten legten ihr Arbeitsgerät nieder und nahmen ihre Helme, Handschuhe und Schutzmasken ab, um der Toten zu gedenken. Seit der Katastrophe gelten fast 28.000 Menschen als tot oder vermisst. Japans Regierungschef Naoto Kan bedankte sich für die internationale Unterstützung nach der Naturkatastrophe. In einem mit dem Titel „Vielen Dank für die Bande der Freundschaft“ überschriebenen Brief, der in mehreren großen Tageszeitungen weltweit veröffentlicht wurde, schreibt Kan, Menschen aus aller Welt hätten den Japanern Hoffnung gebracht und Mut gemacht. „Ich möchte jedem Land, jeder Organisation und Ihnen persönlich von tiefstem Herzen danken.“ Nach dem Beben und dem Tsunami habe es in der betroffenen Region weder Essen, noch Wasser, noch Strom gegeben. In dieser Zeit der „Verzweiflung“ hätten Menschen aus aller Welt geholfen.

Japans Regierung: Risiko für neue Atomlecks geringer

Das Risiko weiterer massiver Strahlenlecks im havarierten Kernkraftwerk Fukushima ist nach Einschätzung der japanischen Regierung geringer als zu Beginn der Katastrophe vor einem Monat. „Das Risiko, dass sich die Situation verschlechtern wird und dass es neue massive Ausstöße radioaktiver Substanzen geben wird, wird deutlich geringer“, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Montag.

Unterdessen reiste der Chef des Atombetreibers Tepco, Masataka Shimizu, in die Provinz Fukushima, um sich bei der lokalen Regierung zu entschuldigen. Gouverneur Yuhei Sato weigerte sich jedoch laut Medien, ihn zu sehen. Es ist bereits das zweite Mal, dass der Gouverneur von Fukushima ein Treffen mit Shimizu ablehnt. Der Tepco-Chef wird scharf kritisiert, da er sich zwei Tage nach Beginn der Katastrophe offiziell wegen Unwohlseins zurückgezogen hatte und seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit erschienen war. Mitarbeiter seines Unternehmens versuchen unterdessen weiter, die Atomruine unter Kontrolle zu bringen.