Während an der Atomanlage Fukushima die Arbeiter weiter gegen verseuchte Wassermassen kämpfen, steigt die Anzahl der Toten.

Tokio. Die Zahl der Toten in Japan nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami steigt immer weiter. Bisher habe die Polizei 12 321 Todesfälle bestätigt, meldete der Fernsehsender NHK am Dienstag. Am Vortag waren rund 12 260 Opfer gezählt worden. Mehr als 10 000 Opfer wurden mittlerweile nach Angaben des Fernsehsenders identifiziert und ihren Familien übergeben. Insgesamt gelten demnach mehr als 27 000 Menschen seit der Katastrophe am 11. März als tot oder vermisst. Rund 165 000 Menschen lebten in Evakuierungszentren hauptsächlich in den Präfekturen Miyagi, Iwate und Fukushima.

Der japanische Atombetreiber Tepco bot am Dienstag zehn Städten, die innerhalb der Evakuierungszone von 20 Kilometern um das Atomkraftwerk liegen, Entschädigungen an. Die Zahlungen seien als „Trost“ für die 80.000 Einwohner gedacht, die ihr Zuhause verlassen mussten, teilte Tepco mit. Ein Sprecher der Stadt Namie erklärte jedoch, die Gemeinde habe die angebotenen 20 Millionen Yen (180.000 Euro) abgelehnt. Bei einer Einwohnerzahl von mehr als 20.000 entspreche dies 1000 Yen (neun Euro) pro Person. Dies helfe den Menschen nicht.

Unterdessen ist der Kampf gegen ein Leck an der Atomanlage Fukushima vorangekommen. Die Menge an ausströmendem verstrahltem Wasser habe sich verringert, berichteten japanische Medien am Dienstag unter Berufung auf den Energiekonzern Tepco. Nach mehreren gescheiterten Versuchen half nun offenbar ein Abdichtmittel auf Basis von Flüssigglas, das die Arbeiter in den betreffenden Kanalschacht gegossen hatten.

Gleichzeitig wurden Messergebnisse vom Sonnabend bekannt, wonach die Jod-Konzentration im Meer vor Reaktorblock 2 um das 7,5-Millionenfache über den zulässigen Grenzwerten liegt. Das bisher unkontrolliert ins Meer strömende, hoch radioaktiv verseuchte Wasser stammt vermutlich aus Block 2, in dem die Brennstäbe teilweise geschmolzen waren. Die Regierung kündigte schärfere Kontrollen bei Meeresfrüchten an. Um das Wasser endgültig zu stoppen, sollten noch einmal 1500 Liter des Abdichtmittels in den Schacht gekippt werden, meldete der Fernsehsender NHK.

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Mit immer neuen Methoden versuchen die Helfer zudem, den Wassermassen in anderen Teilen der Atomanlage zu begegnen. Tepco braucht dringend Auffangmöglichkeiten für das Wasser, das zum Kühlen in die Gebäude geleitet wurde und sich dort nun angesammelt hat. Die Behörden gehen davon aus, dass inzwischen 60 Millionen Liter der Strahlensuppe im Keller der Reaktorgebäude sowie in unterirdischen Kanälen stehen. Das Wasser behindert die Bemühungen, die Atomruine in den Griff zu bekommen.

Helfen soll unter anderem ein Tankfloß, das bis zu 10 Millionen Liter an radioaktiv verseuchtem Wasser aufnehmen können soll. Es wird derzeit in eine Werft in der Tokioter Nachbarstadt Yokohama gezogen. Dort soll es für den Einsatz an der Atomruine umgebaut werden, wie die Nachrichtenagentur Jiji Press berichtete. Das stählerne Tankfloß werde voraussichtlich nach dem 16. April in Fukushima eintreffen. Es ist 136 Meter lang und 46 Meter breit. Bisher diente es im Hafen der Stadt Shimizu in der Provinz Shizuoka als schwimmende Insel für Angler.

Industrie verschärft Kontrollen von Fisch aus dem Pazifik

Hilfe versprechen sich die Arbeiter auch von Spezialschiffen der US-Marine sowie von behelfsmäßigen Tanks. Außerdem ist die Rede von Barrieren, die im Meer vor Fukushima verhindern sollen, dass sich vergiftetes Wasser unkontrolliert im Pazifik ausbreitet. Dabei handelt es sich um eine Art Netz, wie er auch bei Ölverschmutzungen zum Einsatz kommt. Der Vorhang wird am Meeresboden mit Gewichten beschwert. Allerdings ist ungewiss, ob diese Methode gegen radioaktive Substanzen wirkt.

Der Kraftwerksbetreiber Tepco pumpt weiterhin leicht belastetes Wasser in den Ozean, um in den bereits bestehenden Tanks Platz für wesentlich stärker verstrahltes Wasser zu schaffen. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, strömten bis Dienstagmittag (Ortszeit) rund 3,4 Millionen Liter belastetes Wasser in den Pazifik. Insgesamt sollen 11,5 Millionen Liter abgelassen werden.

Regierungssprecher Yukio Edano verteidigte erneut die Aktion, die am Montag begonnen hatte und voraussichtlich bis zu diesem Wochenende dauern soll. Sie sei nötig, damit nicht stärker strahlendes Wasser ins Meer gelange. Angesichts möglicher Gefahren für Gesundheit und Umwelt zeigte sich die Regierung im nahe gelegenen Südkorea besorgt.

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Die Menschen aus der Gegend um Fukushima können sich derweil auf erste Entschädigungszahlungen einstellen. Das Geld könnte zum Monatsende fließen - wie viel, ist aber noch unklar. Über die Höhe will sich Tepco mit der Regierung beraten, wie Kyodo unter Berufung auf den Konzern berichtete.

Rund 80.000 Anwohner der Atomruine hatten sich auf Weisung des Staates in Sicherheit bringen müssen. Zudem leiden viele Landwirte darunter, dass sie wegen radioaktiver Verstrahlung ihr Gemüse und Obst nicht mehr verkaufen können.

Toyota stoppt US-Produktion - Tepco-Aktie stürzt ab

Tepco werde zunächst unter anderem für die Arztkosten und Einkommensausfälle aufkommen, hieß es. An der Börse in Tokio stürzte das Papier des Energiekonzerns um 18,1 Prozent auf 362 Yen (rund 3 Euro) und damit auf den tiefsten Stand seit 59 Jahren.