Befangenheitsantrag gegen Richter - Kachelmanns Verteidiger Birkenstock: Die Richter hätten sich offenbar entschieden, der Klägerin zu glauben. Deshalb seien sie befangen.

Mannheim. Des Pudels Kern: Die Belehrung nach Paragraf 55 der Strafprozessordnung. Demnach ist, wie Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock es plastisch ausdrückte, „ein Zeuge nicht verpflichtet, sich selbst in die Pfanne zu hauen“. Anders gesagt: Er muss auf eine Frage nicht antworten, wenn er sich selbst belasten würde. Diese Gefahr sieht die Verteidigung Kachelmanns: Da ihrer Auffassung nach die Ex-Geliebte den Wettermoderator zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigt, könnte sie sich wegen einer falschen Verdächtigung strafbar gemacht haben. Vergangenen Mittwoch lehnte das Gericht eine Belehrung ab. Verteidiger Birkenstock interpretierte das so: Die Richter hätten sich offenbar entschieden, der Frau zu glauben. Deshalb seien sie befangen.

Am Mittwoch dürfte feststehen, ob der Prozess neu aufgerollt werden muss. Nachdem die Verteidiger von Jörg Kachelmann in der vergangenen Woche einen Befangenheitsantrag gestellt hatten, gaben die Richter nun nach und belehrten das mutmaßliche Opfer über sein Aussageverweigerungsrecht. Doch die Verteidigung hält an ihrem Antrag fest – werden die Richter als befangen abgelehnt, müsste der Prozess noch einmal von vorne beginnen.

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Nun schob der Vorsitzende Richter Michael Seidling eine Begründung nach: Die Strafkammer habe es vergangene Woche „leider versäumt, ihren Standpunkt zu Paragraf 55 zu erläutern“.

Die Zeugenvernehmung des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers im Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann wird voraussichtlich mehrere Tage dauern. Bis zum Montagnachmittag wurde die 37-jährige Radiomoderatorin vor dem Landgericht Mannheim nur zu ihrer Lebensgeschichte befragt. Wie die Verteidiger am Mittag mitteilten, hatte die Befragung zu der angeblichen Vergewaltigung bis dahin noch nicht begonnen. Die Befragung sollte am Mittwoch fortgesetzt werden.

Die 37-Jährige beschuldigt den Fernsehmoderator, er habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Er bestreitet das. Für den Ausgang des Prozesses wird es darauf ankommen, wem das Gericht glaubt.

Die Vernehmung der langjährigen Freundin Kachelmanns findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei den Vorwürfen zur Nacht zum 9. Februar 2010 steht Aussage gegen Aussage. Kachelmanns Verteidiger sprechen von einer Falschbeschuldigung, er selbst schweigt im Prozess. Da Aussage gegen Aussage steht, hat die Glaubhaftigkeit der Angaben der Ex-Freundin zentrale Bedeutung.

Inzwischen gibt es im Kachelmann-Prozess eine Phalanx von Gutachtern. Das Gericht hat vier Mediziner und Psychologen bestellt, Kachelmann inzwischen fünf. Der Sprecher der Mannheimer Staatsanwaltschaft, Andreas Grossmann, sagte am Montag: „Diese große Zahl ist sicher außergewöhnlich.“ Die Experten sollen die Glaubwürdigkeit der Ex-Freundin und ihre medizinisch festgestellten Verletzungen an Hals und Oberschenkeln beurteilen. Die Gutachter kommen teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die von Kachelmann bestellten Rechtsmediziner sollen eine Selbstverletzung der Ex-Freundin belegen.

Auch die Spuren auf dem in der Wohnung gesicherten Küchenmesser sind hoch umstritten. Sie seien Kachelmann nicht zuzuordnen, so Anwalt Reinhard Birkenstock. Laut Staatsanwaltschaft sollen dagegen die DNA-Spuren auf dem Messer Kachelmann zuzuordnen sein.

Inzwischen gibt es sogar Streit um die Interpretation eines wichtigen Gutachtens. Die Stellungnahme der Bremer Professorin Luise Greuel war bereits vor dem Prozess in den Medien breit zitiert worden. Danach wertet die bekannte Aussagepsychologin die Angaben der Ex-Freundin als schwer lückenhaft. Dieses Gutachten nannte die Verteidigung als klaren Beleg für die Falschbezichtigung Kachelmanns durch die Frau. Die Staatsanwaltschaft zieht dagegen ganz andere Schlüsse aus dem Gutachten. Am Montag benannten die Kachelmann-Verteidiger nun einen weiteren Gutachter, der die Fehlinterpretation des Greuel-Gutachtens durch die Staatsanwaltschaft beweisen soll. Die Gutachterin selbst ist in dem Mannheimer Prozess anwesend.

Noch nicht entschieden wurde über den Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen drei Berufsrichter. In der Sache hat die Strafkammer am Montag überraschend nachgegeben. Das Gericht belehrte die Ex-Freundin, dass sie im Fall einer strafbaren Falschbeschuldigung Kachelmanns ein Schweigerecht habe, um sich nicht selbst zu belasten. Diese Belehrung hatte die Verteidigung bereits in der vergangenen Woche gefordert, was vom Gericht aber abgelehnt wurde und den Befangenheitsantrag auslöste. Da die Verteidigung den Antrag trotz Einlenkens der Richter nicht zurücknahm, müssen nun andere Richter bis spätestens Mittwoch entscheiden.