Die Staatsanwaltschaft fordert für einen der Angeklagten im Brunner-Prozess die Höchststrafe. Die Verteidigung will viel weniger.

München. Brunner-Prozess: Die Staatsanwaltschaft hat zehn Jahre wegen Mordes für den mutmaßlichen Haupttäter Markus S. gefordert. Der zur Tatzeit 18-Jährige habe aus niedrigsten Beweggründen gehandelt und den Tod Dominik Brunners billigend in Kauf genommen, sagte Staatsanwältin Verena Käbisch am Dienstag vor dem Landgericht München. Für den zur Tatzeit 17-jährigen Mitangeklagten Sebastian L. forderte Käbisch acht Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ursprünglich war auch er wegen Mordes angeklagt.

Brunner habe seine Zivilcourage mit dem Leben bezahlt, sagte die Staatsanwältin. Dass er den ersten Schlag geführt habe und letztendlich an Herzversagen gestorben sei, ändere nichts an der Schuld. Für den Tod von Brunner sei eindeutig der Kampf ursächlich. Die Aggression sei von den Angeklagten ausgegangen. „Dominik Brunner ging völlig zu Recht von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Angeklagten aus“ und habe deswegen zugeschlagen, um sich zu schützen.

Bei S. sah die Staatsanwältin einen klaren Tötungsvorsatz. Er habe so stark gegen den Kopf getreten, dass ein Schuhabdruck zurückgeblieben sei, und man wisse, dass das lebensgefährlich sei. Dadurch dass er sich mit einem Schlüssel bewaffnet habe, habe S. zudem gezeigt, dass es für ihn ein Kampf ohne Grenzen sei.

Die Verteidiger von Markus S. bewerteten dessen Tat nicht als Mord. Sie argumentierten, dass er erst einen Tötungsvorsatz gehabt habe, nachdem Brunner im Verlauf des Kampfes gestürzt sei. Sie teilen die Auseinandersetzung an dieser Stelle auf. Da man nicht wisse, welcher Teil die Ursache des Herzstillstands Brunners gewesen sei, müsse man zugunsten des Angeklagten annehmen, dass es der Abschnitt vor dem Sturz gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe S. Brunner aber nur verletzen und nicht töten wollen. Deswegen handle es sich um Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag. Sie schlugen eine Strafe von deutlich unter sieben Jahren vor.

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Ein Mordmerkmal wie die von der Anklage angeführten niedrigen Beweggründe sahen die Verteidiger nicht. Es sei wahrscheinlich, dass der Schlag Brunners die Tat ausgelöst habe. Die Angeklagten hätten nicht vorgehabt, Brunner anzugreifen. Das Bedrohungsszenario sei nicht mehr als „Daherreden“ der „Halbstarken“ gewesen. Brunner habe dies aber offenbar anders wahrgenommen. Er und die Angeklagten kämen aus zwei verschiedenen Welten.

Für Sebastian L. forderte die Staatsanwältin acht Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Er sei zwar zurückhaltender gewesen aber auch er habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Zudem seien ihm auch die Schläge und Tritte seines Komplizen zuzurechnen. L. sei nur einen Zentimeter vom Tötungsvorsatz entfernt, sagte Käbisch.

Auch die Verteidiger von L. interpretierten die Tat als Körperverletzung mit Todesfolge. Allerdings sei L. weit von einem Tötungsvorsatz entfernt, betonten sie. Nachdem Brunner zu Boden gegangen sei, habe er nicht mehr getreten, sondern sogar versucht, seinen Mitangeklagten wegzuziehen. Deswegen könne man ihm nicht vorwerfen, dass er dessen Tritte gebilligt habe. Sie forderten drei Jahre und sechs Monate.

Einig sind sich Anklage und Verteidigung bei beiden Angeklagten, dass sie nach Jugendstrafrecht behandelt werden sollten. Damit sind zehn Jahre die Höchststrafe. Die Anwältin der Eltern Brunners sagte, es gebe keinen Grund, diese bei S. nicht auch zu verhängen. Die Folgen für die Eltern Brunners seien schwer. Die Mutter sei zum Pflegefall geworden, der Vater leide unter einer schweren Depression. Direkt zu den Angeklagten sagte sie: „Ich möchte, dass Sie anfangen, zu begreifen, was Sie hier getan haben. Sie haben neben Dominik Brunner auch seine Eltern auf dem Gewissen.“