Im Mordprozess Dominik Brunner wurde die Aufzeichnung der Notrufzentrale abgespielt - zwei Minuten voller Schreie und Beschimpfungen.

München. Nach vielen - teils widersprüchlichen - Zeugenaussaugen im Mordprozess Dominik Brunner hat das Münchner Landgericht am Dienstag eine vollständige Aufzeichnung der tödlichen Schlägerei auf dem S-Bahnhof Solln gehört. Zwei Minuten gellten wüste Beschimpfungen, Schmerzensschreie und die Rufe entsetzter Augenzeugen durch den Gerichtssaal – danach herrschte sekundenlang betroffenes Schweigen.

Die Notrufzentrale hatte die Prügelei am 12. September 2009 vollständig aufgenommen. Eine Expertin des bayerischen Landeskriminalamt erklärte, Brunners Handy sei in seiner Tasche gewesen und habe offenbar per Wahlwiederholung Verbindung mit der Notrufzentrale hergestellt. Schon um 16.05 Uhr hatte er aus der S-Bahn die Polizei angerufen und mit ruhiger Stimme mitgeteilt, zwei junge Männer wollten Jugendliche ausrauben. „Ich steig' mit denen aus“, sagte Brunner.

Bei der zweiten Verbindung um 16.10 ist Brunners Stimme zu hören: „Einen erwischt's gleich! Ich nehm einen mit!“. Einer der beiden Angeklagten schreit: „Komm her, Mann, du Dreckschwein!“ Kurz darauf sind Schmerzensschreie Brunners zu hören. Die Schläger schreien: „Du Sau! Du Bastard! Du Arschloch!“ Andere Männer und Frauen riefen immer wieder: „Aufhören! Hört auf, Ihr Idioten!“ oder „Schluss da drüben! He! Lass ihn!“

Die mutmaßlichen Täter brüllten: „Was willst du, Mann? Verpiss dich, du Wichser! Scheiß-Spasti! Eh, Alter, fuck, Mann! Du Motherfucker!“ Dann ist Brunners Stöhnen zu hören. Eine Frau sagt: „Scheiße! Ruft mal irgendjemand einen Krankenwagen?“ Zur der Zeit waren bereits zwei Anrufe von Augenzeugen bei der Notrufzentrale eingegangen.

Eine Augenzeugin sagte vor der Jugendkammer unter Tränen aus, der damals 18-jährige Markus S. habe Brunner brutal getreten, auch als der schon reglos am Boden gelegen habe. Brunner „wurde zigmal ins Gesicht und den Oberkörper getreten“, sagte die Zeugin. „Es waren Tritte ins Gesicht, die hab ich gesehen!“ Sebastian L. habe sich weniger beteiligt.

Markus S. sei bei seiner Festnahme am Tatort so angetrunken gewesen, dass seine „Steuerungsfähigkeit unter Umständen beeinträchtigt“ gewesen sein könnte. Er habe 1,46 Promille Alkohol und Spuren von Cannabis im Blut gehabt, teilte der Vorsitzende Richter Reinhold Baier mit. Sein Gang sei sicher und das „Denkvermögen geordnet“, aber seine Sprache verwaschen gewesen. Der ein Jahr jüngere Sebastian L. war dagegen nüchtern.

Brunner hatte nach Aussagen seines langjährigen Internisten keinerlei Herzkrankheit. „Vom Herzen her war alles in Ordnung bei ihm“, sagte der Arzt vor Gericht. EKG-Tests in den Jahren 1997, 2002, 2007 und zuletzt im Mai 2009 hätten eine gute körperliche Belastbarkeit und keine Auffälligkeiten gezeigt. Sein Herz sei „grenzwertig groß“, aber für einen Sportler normal gewesen.

Oskar Brunner über seinen Sohn: "Er war kerngesund"

Brunners langjährige Freundin Petra P. beschrieb den 50-Jährigen als sehr hilfsbereiten und keineswegs aggressiven Menschen. „Er ist schon jemand gewesen, der sich eingemischt hat und versucht hat zu schlichten“, sagte die Krankenhausärztin. „Er war nicht aufbrausend.“ Er habe einmal einen Selbstverteidigungskurs und vor 15 Jahren auch ein Boxtraining gemacht, aber „wenn es Streit gab, hat er versucht, es so ruhig wie möglich zu regeln“.