Die Anklage im Brunner-Prozess wirft den beiden mutmaßlichen Tätern weiter Mord vor. Die Plädoyers der Verteidigung stehen noch aus.

München. Prozess um den gewaltsamen Tod von Dominik Brunner: Der Angeklagte Markus S. (19) sitzt regungslos da, den Blick stur nach vorne gerichtet. Auch als Staatsanwältin Verena Käbisch am Dienstag im Münchner Landgericht in ihrem Plädoyer den Mordvorwurf erneuert und die höchstmögliche Jugendstrafe von zehn Jahren für seine Tat fordert, verzieht er keine Miene.

Auch Sebastian L. (18) ist nicht anzusehen, was in ihm vorgeht, als zumindest der Mordvorwurf gegen ihn zurückgenommen wird. Er sei „einen Zentimeter vom Tötungsvorsatz entfernt“ gewesen, sagt die Staatsanwältin. Es bleibt jedoch der Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge und – wie bei Markus S. – die versuchte räuberische Erpressung. Für den zweiten Angeklagten fordert die Anklagebehörde acht Jahre Gefängnis. Beide fallen damit unter das Jugendstrafrecht.

Die Plädoyers folgen einer wechselvollen und mit Überraschungen gespickten Beweisaufnahme. So kam erst nach Beginn des Prozesses heraus, dass Brunner gar nicht direkt an den schweren Verletzungen starb, sondern an einem Herzstillstand . Und dass sein Herz wegen eines vergrößerten Muskels vorgeschädigt war. Auch dass Brunner als erster zuschlug, stand nach der Beweisaufnahme außer Zweifel. Dennoch hielt die Anklage bis zuletzt am Mordvorwurf fest: Brunner habe zur Abwehr einer drohenden Schlägerei zugeschlagen und die massive Gewalt, die danach auf ihn einprasselte, habe zu dem Herzstillstand geführt .

Auch die Nebenklagevertreterin ließ keinen Zweifel daran, wer an der Eskalation die Schuld trage. Die Verantwortung dafür liege „glasklar“ beim mutmaßlichen Haupttäter Markus S. (19) und seinem Freund Sebastian L. (18), betonte die Anwältin der Eltern von Dominik Brunner, Annette von Stetten, in ihrem Plädoyer. Und gab den jungen Männern angesichts ihrer schwer erkrankten Mandanten auf den Weg: „Sie haben neben Dominik Brunner auch seine Eltern auf dem Gewissen.“

Am 12. September 2009 hatten die Angeklagten in der S-Bahn von Schülern Geld verlangt und ihnen mit Schlägen gedroht. Schließlich mischte sich der Manager Brunner ein, forderte sie auf, die Jugendlichen in Ruhe zu lassen. Seine Zivilcourage habe ihn umgebracht, bewertet Staatsanwältin Käbisch am Dienstag sein Verhalten. „Dominik Brunner hat nicht weggesehen, als vier Jugendliche erpresst werden sollten.“ Nachdem Markus S. und Sebastian L. lautstark geäußert hatten „Wann rauben wir sie aus?“, rief der 50- Jährige per Handy die Polizei an – mit ruhiger Stimme, die Lage schien nicht bedrohlich. Wenige Stunden später war Brunner tot.

Nachdem Brunner am Bahnsteig den ersten Schlag gegen Markus S. ausgeteilt hatte, traten und schlugen die jungen Männer laut Anklage aus Rache auf ihn ein. Der heute 19-Jährige habe damals zum Ausdruck gebracht, dass „ ein Kampf ohne Grenzen folgen sollte “, sagte Käbisch. „Er wurde getötet, weil er Zivilcourage zeigte.“ Die Todesursache Herzversagen ändere daran nichts. Brunner wäre ohne die Tat der Angeklagten noch am Leben. Käbisch: „Sie wollten zeigen, dass sie sich von niemandem einschüchtern oder etwas sagen lassen, weder von Brunner noch von der Polizei.“

Die Verteidiger sollten erst am Nachmittag mit ihren Plädoyers das Wort haben – und werden gerade diesen Punkt anders bewerten. Wenn ein Herzkranker nach Stress an Herzstillstand stirbt, sei das kein Mord, betonten sie bereits während der Verhandlung mehrfach.