Psychiater hält ernsthafte Auseinandersetzung mit der Tat für fraglich

München. Auch auf den älteren der beiden Angeklagten im Mordprozess um den Tod des 50-jährigen Dominik Brunner könnte das mildere Jugendstrafrecht angewandt werden. Gutachter Franz Joseph Freisleder sagte gestern vor dem Landgericht München: "Nach meiner Einschätzung sprechen mehr Argumente für als gegen die Anwendung des Paragrafen 105." Dies würde bedeuten, dass auf den zur Tatzeit 18-jährigen Markus S. das Jugendstrafrecht angewandt würde. Die Entscheidung trifft allerdings das Gericht.

Freisleder sagte, S. hebe sich von seinem zur Tatzeit 17-jährigen Mitangeklagten Sebastian L. reifemäßig nicht ab. S. sei übertrieben stark auf seinen Bruder bezogen, den er verherrliche. In Briefen an den Bruder wirke S. "anlehnungsbedürftig, infantil unreflektiert, gewaltverherrlichend". Zudem erscheine es fraglich, ob sich S. ernsthaft und selbstkritisch mit der Tat auseinandersetze, sagte Freisleder. Der Psychiater musste sein Gutachten allerdings ohne eine ausführliche direkte Untersuchung des Angeklagten erstatten. S. hatte dies verweigert.

L., der auf jeden Fall nach Jugendstrafrecht behandelt wird, hatte Freisleder achtmal getroffen. Sein Eindruck sei, dass L. "von der Tat sehr betroffen" sei. Allerdings sah Freisleder bei L. auch emotionale Labilität und eine Bereitschaft zu aggressiven Reaktionen. Beiden Angeklagten bescheinigte der Gutachter eine ausgeprägte chronische Störung ihres Sozialverhaltens mit Drogen- und Alkoholmissbrauch. Für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit sah er aber keinerlei Hinweise.

Brunner starb im September 2009 nach einem Kampf mit ihnen am Münchner S-Bahnhof Solln.