Ein Zeuge schreibt die erste Aggression dem Opfer zu, die Angeklagten seien vor dem Schlag „nur dagestanden“. Ein weiterer Zeuge widerspricht.

München. Die Aussagen von zwei der wichtigsten Zeugen im Mordprozess Dominik Brunner widersprechen sich in der zentralen Frage nach den Umständen des ersten Schlages. Marcel L., eines der von dem 50-Jährigen beschützten Kinder, sagte am Donnerstag vor dem Landgericht München, Brunner sei am S-Bahnhof Solln den Angeklagten entgegengegangen, habe etwas wie „Ihr wollt's ja nicht anders“ gesagt und dann sofort einen der beiden ins Gesicht geschlagen. Davor seien die beiden „nur so dagestanden“ und hätten keine aggressive Kampfhaltung eingenommen, sagte der heute 16-Jährige. Richard M., ein anderer der Schüler, hatte am Mittwoch dagegen ausgesagt, Brunner habe seiner Auffassung nach zugeschlagen, um sich zu wehren. Die Angeklagten hätten Schläge angekündigt und seien auf den 50-Jährigen zugegangen, während dieser gestanden habe. Es sei klar gewesen, dass gleich etwas passieren werde. Die von Richard M. erzählte Version , dass Brunner zugeschlagen habe, um einen Angriff abzuwehren, entspricht der Auffassung der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten schoben den Ausgang des Kampfes am ersten Prozesstag dagegen Brunner zu und beteuerten, sie hätten ihn eigentlich ursprünglich nicht angreifen wollen, die Situation sei dann erst nach dem ersten Schlag eskaliert. Marcel L. sagte am Donnerstag, man habe schon beim ersten Schlag Brunners gemerkt, dass dieser Kampfsporterfahrung habe. Laut Polizei soll der 50-Jährige in den 90er Jahren für rund eineinhalb Jahre geboxt und bereits Selbstverteidigungskurse absolviert haben.

Der vom ersten Schlag Getroffene - der Beschreibung zufolge offenbar der zur Tatzeit 18-jährige Markus S. - sei ausgeflippt und zusammen mit seinem Kumpan, dem zur Tatzeit 17-jährigen Sebastian L., für rund zehn Sekunden ein paar Meter zurückgewichen, sagte Marcel L.. S. habe einen Schlüssel aus seinem Rucksack geholt und so in die Faust genommen, dass die Spitze vorne herausgeschaut habe. Dann seien die beiden schnell auf Brunner zu und es sei zum Kampf gekommen. Nach „acht, neun, zehn Sekunden“ sei Brunner zu Boden gegangen, sagte der Zeuge. Ob die Angeklagten den 50-Jährigen dann auch traten, konnte er nicht mehr sagen. Auch als der Vorsitzende Richter Reinhold Baier ihm vorhielt, er habe am Tattag bei der Polizei noch von massiven Tritten berichtet, konnte sich Marcel L. daran nicht erinnern . Der Zeuge erhob auch Vorwürfe gegen den Schaffner der S-Bahn. Dieser habe sich einfach wieder in den Zug gesetzt und sei weitergefahren , obwohl er die Situation habe erkennen können, sagte der heute 16-Jährige. „Wenn der vielleicht was gemacht hätte“, sagte der Zeuge, bevor Tränen seine Stimme kurzzeitig erstickten, „dann wär's vielleicht anders gelaufen“.