Die Anklage wirft Thomas S. vor, seine beiden Nichten aus Habgier ermordet zu haben, um seine Frau zur Alleinerbin des Familienvermögens zu machen.

München. Thomas S. schweigt nach wie vor. Die Arme vor der Brust verschränkt, sitzt er ungerührt auf der Anklagebank vor dem Münchner Landgericht und verfolgt das Verfahren um den Mord an den beiden Mädchen aus Krailling - seinen Nichten. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist er derjenige, der die Kinder im März vergangenen Jahres aus Habgier brutal tötete.

Nicht nur die Spuren am Tatort führen zu ihm, wie zahlreiche Ermittlungsexperten in dem Prozess bislang darlegten. Auch seine Verwandten haben nicht viel Gutes über den Mann im Jeanshemd zu sagen, der immer wieder schmunzelt, während Zeugen den Schmerz schildern, den die Familie durch den Tod der Mädchen erlitten hat.

Am Donnerstag ist es zunächst seine Schwiegermutter, die ein unschönes Bild von dem 51-jährigen, gedrungenen Mann zeichnet. „Ich bin nie mit ihm zurecht gekommen“, sagt die 70-jährige Doris S. dem Gericht. Er habe nicht gemocht, wenn sie ihre Tochter und die gemeinsamen vier Kinder bei sich gehabt habe. Nach zahllosen Streits sei es im Herbst 2009 endgültig zum Bruch zwischen ihr und seiner Familie gekommen.

Auch zu ihrer Tochter Ursula habe sie den Kontakt damals abgebrochen, während das Verhältnis zu ihrer anderen Tochter, der Mutter der getöteten Mädchen, gut gewesen sei. „Wir waren eine Patchworkfamilie, aber sehr liebevoll“, erklärt die Frau. Die elfjährige Sharon und die achtjährige Chiara seien sowohl mit dem leiblichen Vater als auch mit dem neuen Freund ihrer Mutter gut zurecht gekommen, „sie haben sich wohlgefühlt“. Und auch die Mutter der Mädchen scheint im Gegensatz zu ihrer Schwester ein weitgehend sorgenfreies Leben geführt zu haben, wie S. schildert.

In der Familie von Thomas und Ursula S. rissen die Probleme dagegen nicht ab. Eines der Kinder ist chronisch krank, Ursula S. hat Krebs. Zuletzt dominierten vor allem finanzielle Probleme: Das Haus im oberbayerischen Peißenberg konnte trotz Unterstützung durch Verwandte nicht fertig gebaut werden.

In der Geldnot sieht die Staatsanwaltschaft eines der Motive für den Mord an den Mädchen. Ursprünglich habe Thomas S. auch deren Mutter ermorden wollen, um so seine Frau zur Alleinerbin des Anteils der beiden Schwestern am Familienvermögen zu machen. Dass dies im Fall des Todes der Mutter und ihrer Kinder so gewesen wäre, bestätigt am Donnerstag ein Onkel der beiden Frauen, der auch den Familienbesitz verwaltet.

Doris S. ist überzeugt, dass ihr Schwiegersohn hinter dem Vermögen her war. „Für mich hat er von Anfang an den Eindruck eines Schmarotzers gemacht: niederträchtig, hämisch“, sagt sie.

Gerhard S., der Onkel von Ursula S. und ihrer Schwester, ist offenbar eines der wenigen Familienmitglieder, das regelmäßigen und guten Kontakt zu Ursula S. hatte. Er ist seinem Patenkind merklich zugetan. Daher schildert er nicht nur die genauen Vermögensverhältnisse der beiden Frauen, sondern berichtet auch, wie Ursula ihm gegenüber bedauert habe, dass sie ihren Mann kurz nach dessen Festnahme in Schutz nahm. Einmal habe sie ihm gesagt: „Mit einem Mörder habe ich im Bett gelegen.“ Laut dem Mann hatte seine Nichte „offenbar keinen Zweifel an der Schuld von Thomas S.“.

Ursula S. erscheint an diesem Donnerstag auch selbst vor Gericht. Doch bevor ihr die Richter Fragen stellen können, erklärt die schlanke, hoch gewachsene 45-Jährige, sie verweigere jede Aussage. Ihr Mann lässt sie dabei nicht aus den Augen.