Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die rechtsextremen Polizistenmörder von Heilbronn wohl auch für die Mordserie an neun Imbissbetreibern in ganz Deutschland verantwortlich sind. Darunter auch ein Fall in Hamburg.

Karlsruhe/Heilbronn/Zwickau/Hamburg. Die Ermordung einer Polizistin vor viereinhalb Jahren in Heilbronn steht möglicherweise in Verbindung mit der sogenannten Döner-Mordserie. Wegen eines rechtsextremistischen Hintergrunds übernahm die Bundesanwaltschaft am Freitag die Ermittlungen wegen der Schüsse auf die 22 Jahre alte Beamtin und ihren damals schwer verletzten Kollegen sowie bei der bundesweiten Mordserie gegen ausländische Kleinunternehmer. Es lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mordtaten einer rechtsextremistischen Gruppierung zuzurechnen seien, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.

Auch die Ermittlungen nach der Explosion in einem Haus in Zwickau hat die Bundesanwaltschaft übernommen. Dort waren Experten für Kriminaltechnik und Spurensicherung des Bundeskriminalamtes (BKA) bereits am Freitag mit im Einsatz, wie eine Sprecherin bestätigte. Die Ermittler fanden laut Bundesanwaltschaft in der Zwickauer Wohnung die Pistole, mit der in den Jahren 2000 bis 2006 die Döner-Morde verübt wurden.

Ins Rollen gebracht wurde der Fall durch den Fund der Dienstwaffen der beiden Heilbronner Beamten in einem ausgebrannten Wohnmobil bei Eisenach, in dem auch die Leichen von zwei Männern lagen. Die 34- und 38-Jährigen sollen zuvor eine Bank in Eisenach überfallen haben. Laut Polizei begingen sie Suizid. In Zwickau wurde ebenfalls am Freitag bei einer Detonation das Haus zerstört, in dem die beiden Männer mit der 36 Jahre alten Beate Z. gelebt hatten. Die Frau soll die Explosion ausgelöst haben.

Bei den sogenannten Döner-Morden waren in den vergangenen Jahren bundesweit neun Männer – acht Türken und ein Grieche – getötet worden. Erstes Opfer der mysteriösen Morde war im September 2000 ein türkischer Blumenhändler aus dem hessischen Schlüchtern, der an seinem mobilen Blumenstand in Nürnberg erschossen wurde. 2001 ereignete sich der nächste Anschlag in Nürnberg. Noch im selben Jahr folgten Morde in Hamburg und München. 2004 war Rostock Tatort. Später ereigneten sich die Taten in Dortmund und Kassel.

Das Trio, das mit dem Polizistenmord in Heilbronn in Verbindung gebracht wird, gehörte zum rechtsextremen „Thüringer Heimatschutz“ (THS). Die Gruppe tauchte nach Angaben des thüringischen Innenministeriums 1998 unter, nachdem in Jena ihre Bombenwerkstatt ausgehoben worden war.

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft verfügten die verstorbenen Männer wie auch ihre seit Mittwoch in Untersuchungshaft sitzende Gefährtin Beate Z. bereits Ende der 1990er Jahre über Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen. Bei der Durchsuchung der Zwickauer Wohnung sei außerdem Beweismaterial sichergestellt worden, das auf eine rechtsextremistische Motivation der Mordtaten hindeutet.

Es bestehe deshalb gegen die Beschuldigte Beate Z. der Anfangsverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Mord und versuchtem Mord sowie der schweren Brandstiftung, teilte die Behörde mit. Mit den polizeilichen Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft das Bundeskriminalamt in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen beauftragt.

Chronologie des Heilbronner Polizistinnenmordes

April 2007: In Heilbronn wird eine 22 Jahre alte Polizistin erschossen. Ihr Kollege überlebt seine lebensgefährlichen Kopfverletzungen. Am Wagen wird das DNA-Material einer Unbekannten sichergestellt.

2007 bis 2009: Die Ermittler suchen nach einen Phantom. Gen-Spuren der angeblichen "Frau ohne Gesicht“ werden bei mehr als 35 Straftaten gefunden – darunter Morde und Einbrüche.

26. August 2008: Das ZDF strahlt eine Dokumentation über die "Frau ohne Gesicht“ aus.

25. Dezember 2008: Das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart weist Spekulationen um verunreinigte Utensilien für die DNA-Analyse bei der Suche nach dem Heilbronner "Phantom“ zurück. 5. Januar 2009: Die ARD rollt die mysteriösen Straftaten, die auf das Konto der "Frau ohne Gesicht“ gehen sollen, in einer Sendung auf.

13. Januar 2009: Mit der höchsten Belohnung in der Geschichte von Baden-Württemberg will das Land die zähe Aufklärung vorantreiben: Die Belohnung wird auf 300 000 Euro verdoppelt.

11. Februar 2009: Das LKA übernimmt wegen Überlastung der Heilbronner Polizei die Ermittlungen in dem mysteriösen Fall.

27. März 2009: Leiter der Staatsanwaltschaft Heilbronn, Volker Link, räumt ein, dass die Gen-Spuren der "Frau ohne Gesicht“ beim Verpacken auf die Wattestäbchen gelangt waren. Anfang 2010: Die Polizei nimmt Kontakt zu 395 ehemaligen Gymnasiasten auf, die zur Zeit des Mordes in der Nähe des Tatortes ihren Abschluss gefeiert hatten. Neue Anhaltspunkte ergeben sich nicht.

7. November 2011: Das LKA teilt mit, dass die geraubten Pistolen der beiden Heilbronner Polizisten in einem ausgebrannten Wohnwagen bei Eisenach (Thüringen) entdeckt wurden. In dem Wohnwagen waren zuvor die Leichen von zwei Männern gefunden worden, die mit einem Banküberfall vom 4. November in Verbindung gebracht werden.