Vor dem Spiel beim VfL Wolfsburg glaubt der FC St. Pauli die Trendwende ausgemacht zu haben und rechnet fest mit dem Klassenerhalt.

Hamburg. " Über sieben Brücken musst du gehn, sieben dunkle Jahre überstehn. Sieben Mal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein." (DDR-Rockband Karat)

Der FC St. Pauli vor dem Auswärtsspiel am heutigen Sonnabend beim VfL Wolfsburg (15.30 Uhr, Volkswagen-Arena/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Sieben Niederlagen in Serie liegen hinter den Hamburgern, Wochen voller Hiobsbotschaften mit Verletzungen und Sperren von zahlreichen Leistungsträgern, späten Gegentoren, Becherwürfen, Spielabbruch, Gerichtsverhandlungen, drohendem "Geisterspiel". Sie haben Leidensfähigkeit bewiesen, Nehmerqualitäten gezeigt, Zusammenhalt dokumentiert und daraus einen logischen Schluss gezogen: Wer das alles aushält, der ist imstande, Großes zu leisten. Wer diese Wochen nahezu ohne Folgen für Stimmung und den Gemeinschaftssinn übersteht, der wird am Ende belohnt werden.

St. Pauli wähnt sich wieder im hellen Schein. Seit Donnerstag, seit das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes das Urteil, das nächste Heimspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen, durchaus im Sinne St. Paulis modifizierte (siehe Text unten rechts). "Wenn wir das heute schaffen, könnte das die Trendwende sein", orakelte Vizepräsident Gernot Stenger bereits vor der Verhandlung in Frankfurt und erinnerte sich einer heimatlichen Lebensweisheit: "In Hessen sagt man: Immer einen Kloß nach dem anderen." Jetzt scheint der Teller leer. Die ausstehenden Heimspiele gegen Werder Bremen und den FC Bayern München werden vor ausverkauftem Haus stattfinden, die Trainingswoche brachte keine neuen Verletzungen mit sich, und die emotionale Abschiedserklärung von Holger Stanislawski am Mittwoch ließ das braun-weiße Kollektiv noch enger zusammenrücken. Es flossen Tränen, es war Zeit für Emotionen. Des Trainers Erklärung sorgte für Erleichterung und versetzte die St.-Pauli-Gemeinde in eine Stimmungslage, wie man sie bei intakten Familien nach einer Beerdigung beobachten kann.

Stanislawski war bereits vor den Schlagzeilen dieser Woche guter Dinge für Wolfsburg gewesen: "Ich bin super zufrieden", sagte der 41-Jährige, der die 1:2-Niederlage in Leverkusen als "eindeutiges Lebenszeichen für die letzten fünf Spiele" wertete und St. Pauli in einer guten Ausgangsposition wähnt: "Wir sind immer noch in Schlagdistanz, aber wir brauchen jetzt auch das nötige Ergebnis."

Jetzt. In Wolfsburg. Um dann möglichst viele der weiteren Chancen zu nutzen: "Zu Hause gegen Werder und die Bayern machen wir uns Hoffnung auf jeweils drei Punkte. Wie in Kaiserslautern und auch am 34. Spieltag in Mainz, wo sich für den Gegner vielleicht schon einiges geklärt haben könnte. Es wird noch viele skurrile Ergebnisse geben, da bin ich mir sicher." 28 Punkte hat der FC St. Pauli in dieser Saison eingesammelt, sieben bis neun weitere sollten es noch sein, um ein weiteres Jahr im Oberhaus der Bundesliga dabei sein zu dürfen. "Mönchengladbach, Wolfsburg und Stuttgart, eventuell auch noch Frankfurt", zählt Stanislawski zu den Konkurrenten im zähen Kampf um Platz 15 und Relegationsrang 16, der schnell zum einzigen Ziel werden wird, sollte Wolfsburg den Angriff der Hamburger am heutigen Sonnabend erstmals abwehren. Doch auch hier besteht Anlass zur Hoffnung: In drei Bundesligapartien ist St. Pauli ungeschlagen gegen den VfL, von insgesamt 17 Pflichtspielen verlor der Kiezklub nur zwei.

Gute Aussichten, die allesamt Makulatur sein werden, sollte mit der achten Pleite in Folge ein neuer Vereinsrekord aufgestellt und der "helle Schein" wieder abgedunkelt werden. Dann wird den Hamburgern ein anderes Lied im Ohr klingen: der bei VfL-Treffern eingespielte Torjingle. Dann ist bei St. Pauli "Rama Lama Ding Dong".