Mehr als 600 Fans schauten bei der ersten Einheit des neuen HSV-Trainers zu. Ivo Ilicevic musste mit muskulären Problemen abbrechen.

Hamburg. Eine HSV-Anhängerin hatte ihr Urteil bereits vor Thorsten Finks erster Übungseinheit unwiderruflich gefällt. "Der Fink sieht ja sogar im Trainingsanzug super aus", sagte die Dame mittleren Alters, als der 43-Jährige um 15.12 Uhr zum Trainingsplatz schlenderte. Ein paar nette Worte hier, ein freundliches Lächeln in Richtung der Fotografen da, dann hatte Hamburgs neuer Liebling die rund 100 Meter zwischen Kabinentrakt und Trainingsplatz trotz des außergewöhnlichen Massenandrangs gemeistert. Und das neue Gesicht des HSV, so viel stand für die schwärmerische Dame mit HSV-Schal und blonder Dauerwelle fest, ist zumindest ein hübsches mit "einem wirklich sehr gepflegten Haarschnitt."

Dass der begehrte Blondschopf in seiner 100-minütigen Premiereneinheit auch auf dem Trainingsplatz eine gute Figur machte, hatte dann allerdings weniger mit der Wahl seiner Kleidung oder seiner Frisur zu tun. "Thorsten weiß genau, was er will. Er ist ein kommunikativer Typ, der seine Ziele klar verfolgt", charakterisierte Finks Assistent Patrick Rahmen seinen Chef, mit dem er die erste Einheit am Mittelkreis besprach, während sich die Spieler gemeinsam mit Fitnesstrainer Günter Kern warm liefen.

Ganz genau schauten die mehr als 600 Trainingszuschauer bei der anschließenden Kurzansprache Finks hin, bei der es offensichtlich fröhlich zur Sache zu ging. Unter donnerndem Applaus wurde Torhüter Jaroslav Drobny in die Mitte gebeten, um sich an seinem 32. Geburtstag von den Kollegen gebührend feiern zu lassen. Fink gratulierte, stellte noch einmal Assistent Rahmen vor und gab das Programm für die anschließenden anderthalb Stunden bekannt. "Thorsten Fink ist ein anderer Typ als Michael Oenning. Ich finde es gut, dass wir jetzt einen Trainer haben, der uns deutlich machen will, dass wir uns nur auf uns selbst konzentrieren sollen und nicht auf unsere Gegner", sagte Gojko Kacar, der im ersten Training gleich mehrmals von seinem neuen Vorgesetzten lautstark gelobt ("Gut gemacht, Gojko") wurde.

Insgesamt hielt sich Fink aber besonders in der ersten Hälfte des Trainings auffallend zurück. Wie ein Feldherr schlenderte der Neuling mit den Händen hinter dem Rücken über den Platz, während seine Assistenten die erste Übung (Kreisspiel) ansagten und kontrollierten. Etwas agiler wurde der gebürtige Dortmunder erst, als er seine Mannschaft ein Passspiel einstudieren ließ, bei dem er das schnelle und direkte Spiel über die Flügel trainieren wollte. Mal nahm er sich Gökhan Töre kurz zur Seite, dann Kapitän Heiko Westermann. "Wir müssen eine echte Familie werden", hatte Fink bereits bei seiner Präsentation am Vortag angekündigt.

Richtig lebhaft wurde das neue HSV-Familienoberhaupt erst beim 30-minütigen Abschlussspiel. Wie ein aufgeschreckter Bär nach langem Winterschlaf sprühte der Trainer plötzlich vor Energie, schrie immer wieder Kommandos auf das Feld und unterbrach, sobald ihm etwas nicht passte. "Er kann auch sehr streng sein", sagte Rahmen, der ebenso lautstarke Ansagen machte. "Hey, Kommunikation", rief Fink nach einem Fehlpass, ehe er das Spiel für knapp vier Minuten sogar ganz unterbrach. "You get the ball. I come here", erklärte er Slobodan Rajkovic auf Englisch, wo der Serbe den Ball hinzuspielen habe. Einmal in Fahrt, ging Fink von Spieler zu Spieler, korrigierte Laufwege und erläuterte Passwege. "Ich möchte so schnell wie möglich, dass meine Handschrift sichtbar wird", sagte der Coach, der nach eigener Aussage am meisten von seinen Ex-Trainern Hannes Bongartz, Ottmar Hitzfeld und Giovanni Trapattoni geprägt wurde.

Selbst von dem kurzen Schockmoment, als Ivo Ilicevic signalisierte, nicht weitertrainieren zu können, ließ sich Fink nicht aus dem Konzept bringen. Während der Kroate am Spielfeldrand von HSV-Arzt Tim Niedergasse zunächst am linken Oberschenkel behandelt und anschließend sogar mit dem Golf-Cart in die Kabine gebracht wurde, blieb Fink bis zum Trainingsschluss um 16.37 Uhr mit seinen Augen auf das Feld fokussiert. Erst nach dem Auslaufen erkundigte er sich nach Ilicevics Befinden, der lediglich über leichte Muskelprobleme klagte. Ob Ilicevic beim heutigen Vormittagstraining wieder einsteigen kann, ist noch unsicher. Die Fink-Verehrerin mit Dauerwelle und HSV-Schal dürfte dagegen mit Sicherheit wieder dabei sein.