Verbaler Schlagabtausch zwischen Trainern und Torschützen vor dem Duell zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli am Sonntag (15.30 Uhr).

Hamburg. Pressekonferenzen vor großen Duellen können manchmal spannender sein als der folgende sportliche Vergleich. So wie bei Mike Tyson, der einmal vor einem geplanten Kampf gegen Lennox Lewis in einem New Yorker Nobelhotel eine Massenprügelei provozierte, die Schlagzeilen in aller Welt machte. US-Schwergewicht Tyson hatte sich auf seinen britischen Rivalen gestürzt und ihn dabei wohl auch ins Bein gebissen. Anschließend fielen 20 Männer übereinander her.

Geradezu beschaulich ging es im Vergleich dazu am Freitag in der Imtech-Arena zu, als sich die Trainer Armin Veh und Holger Stanislawski, begleitet von den Torschützen des Hinspiels, Mladen Petric und Fabian Boll, ein letztes Mal vor dem herbeigesehnten Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli am Sonntag (15.30 Uhr, Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) den Fragen der Medienvertreter stellten. Auch wenn Vertreter beider Vereine im Vorfeld hatten durchblicken lassen, dass nach der aus Sicherheitsgründen verordneten Harmonie vor dem 1:1 Mitte September am Millerntor diesmal Schluss mit dem Schmusekurs sein werde, hielten sich die Kontrahenten anders als manche Boxer doch eher mit verbalen Tiefschlägen zurück.

HSV-Trainer Veh wagte sich noch am meisten aus der Deckung. Er erklärte, dass er nicht einmal bei Mädchen "rosa Röckchen" möge, es im Derby also entsprechend zur Sache gehen wird. "Wir haben die auch im Hinspiel nicht angehabt, sondern da einfach schlecht gespielt", sagte der 50-Jährige, der auch optisch offensiver als seine Mitstreiter zu Werke ging. Statt die sprichwörtlichen Manschetten ab zulegen, hatte er anders als die anderen Hauptdarsteller auf dem Podium einfach keinen Schal um gelegt. Mit aktuell acht Punkten mehr auf dem Konto und der heimischen Kulisse im Rücken konnte und wollte Veh die Favoritenrolle seines Teams auch nicht kleinreden. Während St. Pauli mit einem Sieg drei nicht unbedingt eingeplante Punkte im Kampf um den Klassenerhalt sammeln würde, muss für den HSV ein Erfolg her, um weiter Kontakt zu den internationalen Qualifikationsplätzen zu halten.

"Der Druck liegt bei uns", sagte Veh, "wir brauchen deshalb ein paar Männer auf dem Platz." Wer diese Männer bei den "Rothosen" sein werden, war am Freitag nach eigenem Bekunden des Trainers auf drei Positionen noch nicht endgültig entschieden. Veh meinte damit die Außen im Mittelfeld, wo allerdings vieles auf einen Einsatz von Marcell Jansen und Änis Ben-Hatira hindeutete. Eljero Elia bliebe damit zunächst nur ein Platz auf der Bank. Für echtes Aufsehen könnte die Besetzung der dritten offenen Position sorgen, wenn Veh im defensiven Mittelfeld tatsächlich auf Robert Tesche statt David Jarolim setzen sollte. "Robert ist auf jeden Fall eine Option", sagte der Coach und ließ Tesche auch im Training in der A-Elf spielen. Dabei war es Jarolim gewesen, der mehr als jeder andere Profi unter der Woche seine Derby-Leidenschaft schon mal verbal unter Beweis gestellt hatte. "Es gibt keinen Zweifel, wer die Nummer eins ist", hatte der Tscheche erklärt. "Wir haben die letzten Jahre international gespielt, St. Pauli kennt in Europa keiner."

Folgerichtig gab sich St. Paulis Trainer Stanislawski am Freitag gerne mit einer defensiveren Rolle zufrieden. "Wir sind da jetzt nicht in einer Bringschuld, haben ein Auswärtsspiel und sind der kleinere Klub", erklärte der 41-Jährige. "Der HSV hat zweifellos eine hohe individuelle Qualität, aber manchmal entscheidet das bessere Kollektiv." In einem Derby könne alles passieren, meinte Boll, der im Hinspiel nach 77 Minuten den Führungstreffer der Kiezkicker erzielt hatte. Dem eingewechselten Petric, der diesmal von Beginn an spielt, gelang damals erst zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit der glückliche Ausgleich für den HSV.

Anders als beim ersten Duell plagen St. Pauli dieses Mal personelle Probleme. Vor allem der Ausfall von Linksverteidiger Bastian Oczipka ist für Stanislawski nur schwer durch den nur über wenig Spielpraxis verfügenden ehemaligen England-Legionär Moritz Volz zu kompensieren. Zudem stehen die Verteidiger Fabio Morena, Carsten Rothenbach und Florian Lechner sowie Interimskapitän Marius Ebbers nicht zur Verfügung. Hoffnung besteht noch auf einen Einsatz der Mittelfeldspieler Florian Bruns und Timo Schultz.

"Wir treten auf jeden Fall mit elf Mann an", sagte Stanislawski. Notfalls stünden er selbst sowie seine Co-Trainer Andre Trulsen und Klaus-Peter Nemet zur Verfügung. HSV-Coach Veh erklärte daraufhin, dass Nürnberg auch über viele Verletzte geklagt habe und dann doch am vergangenen Wochenende gegen den HSV mit 2:0 gewann, sein Team St. Pauli also keinesfalls unterschätzen werde. Ihre Tipps für das Derby hatten die beiden Coaches schon auf der von Christian Hinzpeter und Abendblatt-Chefreporter Jens Meyer-Odewald moderierten Hamburg Soirée am Dienstag relativ vage gehalten. Während sich Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus auf ein 3:2 für den HSV festlegte, erklärte Veh, seit 20 Jahren nicht getippt zu haben. Nur so viel: "Wir werden gewinnen", meinte Veh, worauf der herausgeforderte Stanislawski konterte, dass sein Team definitiv nicht verlieren werde. Ein wenig Biss war vor dem Derby also drin. Den Fans wird es dennoch recht sein, wenn es am Sonntag auf dem Platz noch ein bisschen intensiver zur Sache geht.