Der erst vor kurzem verlegte Rollrasen sei unbespielbar. Als Nachholtermin komme der 16. Februar in Betracht.

Hamburg. Es ist unglaublich: Der zwei Tage anhaltende Dauerregen in Hamburg hat das mit Spannung erwartete Stadt-Derby in der Fußball-Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli platzen lassen. Der Rasen sei unbespielbar, teilte eine Platzkommission am Sonnabendabend mit, zu der auch Schiedsrichter Günter Perl aus Pullach gehörte. Das 16. Bundesliga-Derby sollte am Sonntagnachmittag um 15.30 Uhr angepfiffen werden.

Da auch die Prognosen für Sonntag keine Wetterbesserung versprachen, wurde die Partie abgesetzt. „Es hat ganz einfach zu viel geregnet. Da war nichts zu machen“, sagte HSV-Pressesprechen Jörn Wolf. Über den neuen Termin soll Anfang nächster Woche entschieden werden, teilte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit.

Nach der Absage hat sich HSV-Chef Bernd Hoffmann persönlich bei seinem Amtskollegen Stefan Orth vom FC St. Pauli entschuldigt. „Bernd Hoffmann hat mich angerufen und sich entschuldigt, auch für die Ausschreitungen von HSV-Fans in der Nacht“, sagte Orth am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Hamburg. Der Aufsteiger wolle keine Vorwürfe erheben und auch keine Schadenersatzforderungen stellen. „Es war eine Verkettung unmöglicher Umstände. Den Ausfall zu prüfen liegt nicht in meiner Macht“, sagte Orth. Als Nachholtermin komme der 16. Februar in Betracht, eine Entscheidung werde an diesem Montag erwartet.

Unmittelbar vor der Partie war in der HSV-Arena ein neuer Rollrasen verlegt worden. Die Arbeiten waren erst am Freitagabend abgeschlossen worden. Der HSV versicherte, dass nicht der rund 100.000 teure Untergrund Schuld an der Absage trüge. Allein der Dauerregen der letzten 48 Stunden sei verantwortlich.

Das 57.000 Zuschauer fassende Stadion war seit Wochen ausverkauft. Da die Partie als Risikospiel eingestuft worden ist, sollten rund 1000 Polizeikräfte aus Hamburg und angrenzenden Bundesländern zusammengezogen werden. „Die wären aber erst am Sonntagmorgen gekommen. Somit entstehen keine weiteren Kosten“, sagte Mirko Streiber, Pressesprecher der Polizei Hamburg.

Mit Bestürzung nahm Lokalrivale FC St. Pauli die Absage auf. Die Mannschaft hatte am Sonnabendvormittag auf ihrem Übungsgelände die letzte Trainingseinheit absolviert. „Wir hätten nie damit gerechnet, dass jetzt in der schneelosen Zeit ein Spiel abgesagt werden muss“, sagte Teammanager Christian Bönig. „Ich muss jetzt jeden Spieler einzeln anrufen, um ihm die Nachricht zu überbringen.“

Der FC St. Pauli wollte das Spiel im eigenen Millerntor-Stadion auf zwei Videowänden übertragen. 12.000 Zuschauer sind erwartet worden. Die Technik muss nun wieder demontiert werden.

In der Nacht zum Sonntag zogen randalierende St. Pauli-Fans in größeren Gruppen durch das Rotlichtviertel und die Sternschanze. Die Gruppe sei sehr gemischt. Ob das abgesagte Derby der Grund sei, sei nicht bekannt, sagte eine Polizeisprecherin. Weitere Einzelheiten sind bislang nicht bekannt. (br/dpa)

Das Derby - ein globales Spektakel

Journalisten aus Peru, Schweden, Brasilien, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden haben sich für das Hamburg-Duell akkreditiert. Und tatsächlich wird das Spiel der Spiele am Sonntag ab 15.30 Uhr MEZ in 187 Ländern live übertragen, zeitgleich verfolgt von Millionen Menschen zwischen Alaska und der Zentralafrikanischen Republik. Besonders intensiv ist das Derbyfieber in 28 Ländern, die mindestens einen der insgesamt 76 offiziellen Fanklubs im Ausland, jeweils 38 vom HSV und vom FC St. Pauli, beheimaten.

Ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis, das am Sonntag auch für das New Yorker East Village gilt. Hier, im Nevada Smith, einem urigen Pub auf der 3rd Avenue, treffen am Sonntag etwa 40 Fans beider Lager zum gemeinsamen Derby-Erlebnis aufeinander. Die HSVer vom Fanklub New York und die als East River Pirates organisierten Exil-St.-Paulianer, gemeinhin in der East River Bar beheimatet und diesmal somit stilecht als Auswärtsfans unterwegs, haben sich zum kollektiven Daumendrücken am TV-Schirm verabredet. Und mehr noch: "Wir wollen nicht nur das Derby zusammen gucken, wir wollen anschließend auch unser eigenes Derby austragen", sagt "Gastgeber" und HSV-Fan Alexander Berscheid. Der gebürtige Hamburger hat vor 20 Jahren seiner Heimat den Rücken gekehrt und ist in die USA ausgewandert - seinen HSV konnte und wollte er aber nicht so einfach zurücklassen. Das Derby nach dem Derby steigt am 17. Februar in einer kleinen Fußballhalle in Brooklyn. "Nach dem Hinspiel haben wir auch ein Spiel unter Fans gemacht. Wir HSVer siegten damals 7:5", stichelt Berscheid.

Und sie sind nicht allein in Amerika. 8500 Kilometer südlich von New York fiebern die Piratas del Sur in Buenos Aires mit den Braun-Weißen, und im vergangenen Jahr wurde in Paraguay auch der erste offizielle HSV-Fanklub Südamerikas gegründet. 13 Mitglieder hoben den Zusammenschluss aus der Taufe, zwei von ihnen werden am Sonntag das Derby nicht nur live, sondern auch vor Ort im Stadion verfolgen. "Der HSV wird 3:2 gewinnen", sagt Jens Floeter, der mit seiner Frau Anke im Block 25A sitzen wird.

Eine Einschätzung, die Michalis Kandarakis nicht teilt. Auch er kommt mit einem Freund heute eigens für das Derby nach Hamburg, hegt als Gründungsmitglied des seit 2007 bestehenden FC St. Pauli Athens Club aber Sympathien für die Gegenseite. Griechen, Italiener, Österreicher, Schweizer, Skandinavier, Briten - aus zahlreichen europäischen Ländern haben sich Fans beider Lager für das Spiel im Volkspark angekündigt. Hamburg, das Tor zur Welt, wird zum Heimathafen vieler Fußballfans. Der HSV konnte zum Heimspiel sogar ganze Gruppen mobilisieren. So haben sich im Volkspark 70 Glaswegian Supporters aus Schottland angekündigt, 25 HSV-Fans aus Ostbelgien werden im Stadion vor Ort sein, und auch die HSV-Vikinger nehmen den kurzen Weg über die Grenze auf sich. "Wir sind im Jahr rund 30 000 Kilometer für den HSV unterwegs, da ist es doch klar, dass wir auch beim Derby dabei sind", sagt Vikinger-Fan Jacob Hessellund aus Dänemark.

In Skandinavien selbst ist St. Pauli in der Mehrzahl. Allein in Kopenhagen hat der Kiezclub drei offizielle Fanklubs, in Norwegen sind es zwei, darunter die Brune Stjerne in Oslo. Zelebriert wird der Derbytag dort im Bohemen, einem Sportspub, wo regelmäßig NDR und Sky über die Bildschirme flackert.

Martin Ryschka und Michi Goerbing gehören zum 46 Fans starken und fast ausschließlich aus Airbus-Mitarbeitern bestehenden HSV-Fanklub in Toulouse und werden die Partie gemeinsam via Satellit verfolgen. Während die beiden Wahl-Franzosen nur noch über die Höhe des HSV-Siegs diskutieren, herrscht am anderen Ende der Welt dramatische Ungewissheit. In Neu-Delhi wissen die Mitglieder des ersten und einzigen indischen St.-Pauli-Fanklubs Raj Pauli noch nicht, ob sie das Derby überhaupt im Fernsehen schauen können. "Wahrscheinlich wird das Spiel hier nicht übertragen, daher ist das St.-Pauli-Radio der Abteilung Fördernde Mitglieder der einzige Weg, das Spiel zu verfolgen", erklärt Gründungsmitglied Ulf Bankemper, auf dessen Terrasse die Spiele verfolgt werden, das Dilemma und outet sich als Fan von AFM-Kommentator Wolf Schmidt: "Selbst bei einer Übertragung würden wir seinen Kommentar hören, denn es gibt meiner Meinung nichts Besseres."

Abseits von Raj Pauli wird Asien klar von HSV-Fans dominiert. Es gibt Fanklubs in Shanghai, Hongkong und Dubai. Auch Australien ist dank der Hamburg-Sydney-Verbindung fest in schwarz-weiß-blauer Hand.

Afrika muss aus Fansicht als geteilter Kontinent bezeichnet werden. In Äthiopien drückt der Schwarze Block Addis Ababa dem FC St. Pauli die Daumen, in Südafrika und Sierre Leone wird offiziell von einem HSV-Sieg geträumt. Edwin Dundas beispielsweise glaubt fest an einen 3:0-Sieg. Der Chairman vom Sierra-Leone-Fanklub wird das Spiel mit seiner Mutter, seiner Tante und anderen Verwandten in seiner Wohnung in Freetown auf dem Spatensender Supersport gucken. "Insgesamt sind wir mittlerweile rund 110 HSV-Fans in Sierra Leone. Einige von uns werden das Spiel sogar in einem kleinen Kino hier gucken", sagt Dundas, der den wohl ungewöhnlichsten HSV-Fanklub 2008 gegründet hat. Nur in Hamburg war der Fußball-Enthusiast noch nie.