Michael Kädings Herz schlägt für den FC St. Pauli und für Freundin Sabine. Die ist jedoch HSV-Anhängerin. Sie teilen das Bett, nicht die Decke.

Horn. Eigentlich kann sich Michael Käding sehr glücklich schätzen. Er liebt Fußball - und seine Lebensgefährtin tut das auch. Sabine duldet nicht nur Michaels Leidenschaft, sie teilt seine Begeisterung sogar. Gäbe es da nicht einen kleinen Haken: Sabine liebt den falschen Verein. Findet jedenfalls Michael. Der ist nämlich St.-Pauli-Fan und seine Freundin HSV-Anhängerin.

Deshalb teilen die beiden zwar das Bett, nicht aber die Decke. Pünktlich zum Derby hat Sabine Schehaka die passende Wäsche aufgezogen. Sie mag es blau-weiß und träumt am schönsten im Zeichen der Raute. Michael dagegen steht auf Braun-Weiß. Dafür muss der 46-Jährige aber auf seiner Betthälfte bleiben.

Und dennoch sind die Bürokauffrau und der Bankangestellte seit mehr als zwei Jahren ein glückliches Paar. Vielleicht weil die 48-Jährige erstaunlich tolerant ist. "Mein Traum wäre ein Badezimmer, das auf der einen Seite blau-weiß und auf der anderen braun-weiß gefliest ist." Wie bitte? Wo bleibt denn das Krawallige, Spott und Häme für den Gegner in den eigenen vier Wänden? Die beiden wollen dagegen in diesem Jahr sogar heiraten! Tsss.

Vermutlich müssen sie sich auf diese Weise arrangieren. Die kleine Hochparterrewohnung in Horn bietet nämlich nicht viele Ausweichmöglichkeiten. Hier ein HSV-Becher, dort ein Paar Pauli-Handschuhe. Einträchtig nebeneinander. Auf dem Esstisch ein Foto aus dem Millerntorstadion, im Schlafzimmer ein HSV-Gemälde.

Sabine Schehaka ist HSV-Fan seit ihrem 16. Lebensjahr. "Meine Freundinnen waren für den HSV, die Schulkameraden auch." So kam das. Ihren Sohn, 21, aus erster Ehe hat sie mit ihrer Liebe zur Raute bereits angesteckt. Zusammen waren sie auch schon im Stadion. Tochter Maren, 24, hat dagegen mit Fußball gar nichts am Hut.

Dann verliebte sich Sabine in Michael. Sie kannten sich zwar schon aus der Haupt- und Realschule in Hamm, lernten sich aber erst 2008 über das Internet richtig kennen und lieben. Sie können nicht sagen, sie hätten von nichts gewusst: "Wir wussten von Anfang an von der Fußball-Leidenschaft des anderen. Es stand ja im Online-Profil", sagt Sabine Schehaka.

Michael Käding ist seit 1987 Pauli-Fan. Davor war er, es ist für wahre Fußballanhänger wahrscheinlich unfassbar: HSV-Verehrer! Seine Entschuldigung: Er sei eben jung und unerfahren gewesen. "Ich war 15-jähriger Bursche. Es war eben die Zeit von Kevin Keegan." Käding besaß damals sogar HSV-Bettwäsche. Dann kam sein erstes Mal - am Millerntor. "Als ich bei Pauli war, gefiel mir die Atmosphäre. Man traf dort damals unheimlich viele Leute, die man kannte. Egal, ob an der Bierzapfanlage oder an der Würstchenbude." Heute sei es deutlich unpersönlicher. "Mit dem Neubau kam auch die Anonymität", sagt Michael. Er vermisse es schon, dieses alte St.-Pauli-Gefühl.

Heute würde er niemals irgendwelche HSV-Insignien anlegen. "In den Volkspark oder wie diese Arena heißt, gehe ich aber schon." Denn Sabine und Michael gucken sich die Spiele, wenn sie denn ins Stadion gehen, gemeinsam an. Wie bitte? "Klar, sind doch beides Hamburger Vereine!", sagt Sabine in breitem Hamburgisch. Piesacken tun die beiden sich trotzdem. Es fallen dann Begriffe wie "Pauli-Zecke" (Sabine) und "Müllverbrennungsanlage" (Michael). Im Gegensatz zu ihrem Freund legt Frau Schehaka auch mal einen feindlichen Fan-Schal um, ohne gleich Hautausschlag zu bekommen, wenn es ans Millerntor geht. Dauerkarten hat das Paar nicht. Meistens verfolgt es die Spiele im Wohnzimmer vor dem Flachbildfernseher. Sabine Schehaka gesteht sogar: "Eine Zeit lang dachte ich, ich würde doch schwach werden." Sie meint damit, dass sie tatsächlich überlegt habe, die Seiten zu wechseln.

Das liegt wohl an der Liebe. Sie kann Grenzen überwinden. St. Pauli sei so "kuschelig und heimelig". "Gemütlich", sagt sie auch noch. Frau Schehaka hat aber widerstanden. Sie mag zwar auch die "Hells Bells". Aber: "Wenn Lotto King Karl mit 57 000 Fans ,Hamburg, meine Perle' singt, kriege ich Gänsehaut." Michael Käding gibt zu: "Mir gefällt das auch."

Und wie geht das Derby am morgigen Sonntag aus? "2:2", sagt sie. Er: "Pauli gewinnt 2:1." Sollte der HSV gewinnen, zeigt sich Sabine Schehaka gnädig mit ihrem Mann: "Du kannst dann gern mit unter die Siegerbettwäsche." Klarer Sieg für die Liebe.