Mein HSV, ich erlaube mir, Dich zu duzen. Ich gehöre zu Dir seit 1995, mein Herz gehört Dir, seit ich zu eigenständigen Entscheidungen fähig bin. Seitdem leide ich mit Dir, ich freue mich mit Dir, ich erinnere mich leider nur verschwommen an den letzten Titel anno 1987 und leider viel zu klar an die vielen verpassten in den vergangenen Jahren. Kurz gesagt: Du bist ein wichtiger Teil meines 34 Jahre langen bisherigen Lebens. Du bist ein guter Freund.

Mit guten Freunden, so heißt es, soll man offen sprechen. Das will ich tun. Du machst es mir und Deinen vielen anderen Freunden nicht leicht in diesen Tagen. Du hast zu viele Spieler, die Deines Trikots nicht würdig sind; einen Trainer, der Dich nicht anzuleiten weiß; einen Aufsichtsrat, der selbst Aufsicht bräuchte; einen Vorstand, der Dein Wesen nie verstanden hat. Für mich war diese Saison am 30. Oktober beendet, als Du 2:3 in Köln verlorst. Da wusste ich, dass Du auf dem falschen Weg bist. Seitdem erwarte ich von Dir für diese Spielzeit nichts mehr - bis auf eins.

Ich erwarte, dass Du am Sonntag das Derby gewinnst. Ich hasse Derbys gegen Vereine, gegen die wir nichts zu gewinnen haben, weil ein Sieg nur lästige Pflichterfüllung ist. Ich erwarte den Sieg nicht, weil es um die Vormachtstellung in der Stadt geht, denn die ist auf Jahrzehnte zementiert, auch wenn das Modelabel mit angeschlossener Fußballabteilung mal vor Dir stehen sollte. Auch nicht, weil mir der Gedanke an die Häme der ach so kreativen, sozialromantischen Fangemeinde der anderen schon jetzt die Magensäure an den Gaumen spült.

Nein, ich erwarte ihn, weil Du ihn uns schuldig bist. Ich werde immer Dein Freund bleiben, was Du auch noch so Absurdes tust. Aber Freundschaft ist keine Einbahnstraße. Am Sonntag bist Du dran, etwas zu geben.