HSV-Fan der eine, Werder-Fan der andere: Zwei Revolverhelden spielen das Duell gedanklich durch. Und einigen sich auf einen klaren Sieger.

Hamburg. Die verabredete Telefonkonferenz fängt aus Hamburger Sicht denkbar schlecht an. Während Jakob Sinn, Schlagzeuger der Rockband Revolverheld und glühender HSV-Fan, sich mit einem hanseatischen "Moin" meldet, begrüßt Johannes Strate, Frontmann der Hamburger Band und Werder-Anhänger, seinen Kumpel mit einem lautstarken "Lebenslang Grün-Weiß". Vor dem Nordderby zwischen dem HSV und Werder Bremen (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) bat das Abendblatt die beiden Musiker zum fachkundigen Taktik-Talk, in dem sie die voraussichtlichen Startaufstellungen Position für Position durchgingen. "Der Bessere soll gewinnen", zieht Strate ein Phrasenschweinfazit, das Sinn unhanseatisch kontert: "Nur der HSV."

Torhüter: Beim Vergleich zwischen Keeper Jaroslav Drobny und Bremens Nummer eins Tim Wiese sind sich die beiden Revolverhelden schnell einig. "Drobny ist in Superform, aber Wiese spielt gegen den HSV leider immer überragend", sagt Sinn, der schweren Herzens den Punkt Werder Bremen gutschreibt. Strate sieht es genauso: "Wiese mag ein schräger Typ sein, aber auf dem Feld ist er sensationell." 0:1.

Rechtsverteidiger: Schwieriger ist die Entscheidung auf der rechten Abwehrseite zwischen Dennis Diekmeier und Clemens Fritz. Beide Musiker outen sich als Bewunderer Diekmeiers, sind sich aber in der Bewertung von Bremens Außenverteidiger nicht ganz einig. "Fritz ist der Kapitän der Mannschaft, eigentlich müsste der Punkt an Werder gehen", sagt Strate, der aber der umgehenden Intervention Sinns ("Diekmeier ist gerade in der Offensive sehr viel stärker") zustimmt und sich mit einem Remis zufriedengibt. 0,5:1,5.

Innenverteidigung 1: Mit "Not gegen Elend" kommentiert Werder-Fan Strate den sportlichen Zweikampf zwischen Heiko Westermann und Francois Affolter, was zu hartnäckigen Protesten Sinns führt: "Westermann spielt nach dem schwierigen Start eine richtig gute Saison." Der Einspruch hat Erfolg, der Punkt geht an den HSV. 1,5:1,5.

Innenverteidigung 2: Auch der Vergleich des zweiten Abwehrpärchens mit Slobodan Rajkovic und Sokratis Papastathopoulos zieht Diskussionen nach sich. Rajkovic habe Jeffrey Bruma verdrängt, gibt Sinn zu bedenken, Sokratis sei der bessere Stratege, kontert Strate. Zudem sei der 23-Jährige Bremens bester Verteidiger. In Zeiten, in den Griechen auf Unterstützung angewiesen sind, geht der Punkt an den Mann mit dem längsten Namen der Liga. 1,5:2,5.

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Linksverteidiger: Eine klare Sache ist laut Sinn das Duell auf der linken Abwehrseite. Bremens gerade erst 18-jähriger Florian Hartherz mag ein großes Talent sein, Hamburgs Dennis Aogo sei aber immerhin Deutscher Nationalspieler. Und auch wenn Strate daran erinnert, dass Hartherz sich zumindest eine Punkteteilung durch seinen beherzten Offensivdrang verdient hätte, lässt Sinn nicht mit sich reden. 2,5:2,5.

Defensives Mittelfeld: "Den Punkt bekommt auf jeden Fall der HSV", sagt Werder-Fan Strate blitzschnell, um beim Vergleich zwischen Tomas Rincon und Philipp Bargfrede dann doch noch mal seinen Bandkollegen zu fragen: "Oder kann der Rincon etwa auch nichts?" Nachdem Sinn bestätigt, dass Rincon im zentralen HSV-Mittelfeld im Gegensatz zu Robert Tesche und Gojko Kacar überzeugt, ist die Sachlage eindeutig: Erstmalige Führung für den HSV. 3,5:2,5.

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Zentrales Mittelfeld: Sollte sich Bremens Trainer Thomas Schaaf tatsächlich für Marko Marin statt für Zlatko Junozovic im zentralen Mittelfeld entscheiden, würde auch Werder-Fan Strate Hamburgs David Jarolim den Punkt zusprechen. "Ich würde Marin nicht spielen lassen", sagt Strate, der sich Junuzovic als zentralen Mittelfeldmann und Aleksandar Ignjovski auf dem rechten Flügel wünscht. "Da Jarolim auf seine alten Tage doch noch mal sein höchstes Niveau erreicht hat, nehme ich den Punkt gerne an", sagt Sinn. 4,5:2,5.

Rechtes Mittelfeld: Zu sehr will Strate den HSV auf dem Papier nicht davonziehen lassen. Egal ob Junuzovic oder Ignjovski auf der rechten Seite spielen, geht seiner Meinung nach der Punkt im Vergleich zu HSV-Talent Jacopo Sala klar nach Bremen. Wenig überraschend sieht Sinn die Sachlage anders, spricht aber einen "norddeutschen Freundschaftspunkt" dem SVW zu. 4,5:3,5.

+++ Tore, Tränen, Tritte - die großen Derby-Momente +++

Linkes Mittelfeld: "Marcell Jansen ist aus dem Tal der Tränen raus, Tom Trybull wird auch immer besser. Unentschieden", sagt Strate, der sich wüste Proteste Sinns gefallen lassen muss. "Trybull kennt doch keiner, Jansen war Nationalspieler. Der Punkt kann nur an den HSV gehen." Ein paar aus dem Ärmel geschüttelte Statistiken später hat Sinn seinen Freund überzeugt. 5,5:3,5.

Hängende Spitze: Auch wenn Strate den HSV nur ungern davonziehen lässt, stimmt er im Zweikampf zwischen Mladen Petric und Markus Rosenberg einem Hamburger Punkt widerstandslos zu. Selbst ein unwahrscheinlicher Sinneswandel Schaafs, Marko Arnautovic statt Rosenberg zu bringen, würde daran nichts ändern. 6,5:3,5.

Stürmer: Die heftigsten Verhandlungen haben sich die beiden Fußballfans für den Schluss aufgehoben. Während Strate keine Diskussionen aufkommen lassen will und klar Claudio Pizarro gegenüber Paolo Guerrero bevorzugt, merkt Sinn an, dass Guerrero in der Form seines Lebens sei. "Ich habe einige Konzessionsentscheidungen abgesegnet, aber hier lass' ich nicht mit mir reden", entgegnet Strate. Widerstand ist zwecklos: "Mein HSV-Herz blutet, aber Pizarro ist tatsächlich Bremens bester Mann", sagt Sinn, der Werders Torjäger den Punkt gibt, Guerrero aber als Siegtorschützen im Spiel am Sonnabend ausgemacht hat. Endstand: 6,5:4,5.

Obwohl die beiden Musiker den HSV klar in der Favoritenrolle sehen, will zumindest Sinn dem Frieden nicht trauen: "Vor Werder hat man als HSVer immer Schiss", sagt er, "trotzdem sind Nordderbys irgendwie geil."

Weitere Informationen zum Nordderby unter www.abendblatt.de/matzab