Wenn die Torjäger aus Peru am Sonnabend beim Klassiker zwischen dem HSV und Werder Bremen aufeinander treffen, soll die Freundschaft ruhen.

Hamburg/Bremen. Aus Hamburger Sicht muss man wohl froh sein, dass es beim Nordderby am kommenden Sonnabend zunächst mal nur um Fußball geht. Bei einem Galoppderby, da sind sich die beiden Pferdefreunde Claudio Pizarro und Paolo Guerrero schnell einig, hätte der HSV-Stürmer gegenüber dem Werder-Torjäger mit Sicherheit das Nachsehen. Während Guerrero neun mehr oder weniger ambitionierte Rennpferde in der peruanischen Heimat sein Eigen nennen darf, kann Landsmann Pizarro mit einer Zucht, die über die ganze Welt verteilt ist, protzen. "Wenn ich vor dem Spiel noch mit Claudio spreche, dann werde ich ihm eine Wette vorschlagen: Der Sieger des Derbys bekommt ein Pferd von dem anderen", sagt Guerrero, der aber nicht ernsthaft mit einer Antwort seines Kumpels zu rechnen braucht. Denn obwohl sich die beiden Freunde mindestens einmal in der Woche in Hamburg treffen, hat Pizarro eine Kontaktaufnahme mit Guerrero vor diesem Derby definitiv ausgeschlossen: "Er ist einer meiner besten Freunde, aber in dieser Woche will ich ihn nicht vor dem Anpfiff sehen."

116 Kilometer entfernt nahmen sich die beiden Peruaner am Mittwoch bei ihren Klubs ausführlich Zeit, um über ihre Pferdebegeisterung, ihre Freundschaft und vor allem das Derby zu sprechen. Denn Freundschaft hin und Pferde her, das Nordderby will keiner von beiden verlieren. "Ich bin jetzt schon seit einer Ewigkeit in Deutschland, aber dieses Spiel zwischen dem HSV und Werder ist noch immer etwas Besonderes", sagt Pizarro, der in 25 Spielen gegen den HSV 16 Treffer erzielen konnte. Diesmal aber, das wird im Gespräch mit dem 33-Jährigen schnell klar, hat selbst der mutmaßliche Hamburg-Schreck seine Zweifel: "Der HSV ist im Aufwind, wir treten irgendwie auf der Stelle."

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Pizarro sitzt im Presseraum im Bremer Weserstadion. Seine Haare sind kürzer als beim letzten Derby, seine Aussagen auch. "Wir wollen gewinnen, aber es wird schwer." Werders Stürmerstar, der mit dem Satz "Ich will Dich" auf großen Plakaten rund um das Weserstadion für neue Mitglieder wirbt, lehnt sich weit in seinem Stuhl zurück. Er lächelt auch, als die Frage zu seiner ungeklärten Zukunft an der Weser gestellt wird. "Es ist alles offen, ich warte noch ab", antwortet Pizarro, der ähnliche Sätze seit Wochen wie eine ewig andauernde Warteschleife bei einer dieser nervigen Telefonhotlines abspult. Bremen will ihn, so viel jedenfalls ist klar. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass der Publikumsliebling seinen auslaufenden Vertrag noch einmal verlängert, scheint in etwa so hoch, wie dass eines von Guerreros Gäulen Pizarros Pferden bei einem Rennen davonläuft. "Claudio ist einer der besten Bundesligastürmer überhaupt. Das zeigt er Woche für Woche seit Jahren", lobt Heiko Westermann, der am Sonnabend die undankbare Aufgabe übernehmen wird, eben jenen Toptorjäger in die Schranken zu weisen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es ernsthafte Bemühungen, dass Guerrero nicht gegen, sondern mit Pizarro um den Sieg spielen sollte. 2009 buhlte der frühere HSV-Chef Bernd Hoffmann sehr intensiv um die Gunst des zuvor von Chelsea an Bremen nur verliehenen Peruaners. "Es gab Interesse", bestätigt Pizarro, "aber ich hätte mich in Bremen wohl nicht mehr sehen lassen können, wenn ich das Hamburger Angebot angenommen hätte." Nicht das Geld habe entschieden, sondern das Herz, betont der Südamerikaner, der aber auch das Gehalt von rund vier Millionen Euro nicht verschmähen wollte.

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Dass er im Gegensatz zu Werders vielen anderen Gehaltsmillionären jeden Cent wert ist, hat Pizarro mehr als einmal bewiesen. Insgesamt 157 Ligatore hat der erfolgreichste Bundesliga-Ausländer aller Zeiten in Deutschland geschossen, allein in dieser Saison waren es 15 Treffer in 18 Spielen. "Claudio ist der wichtigste Spieler von Werder", sagt Guerrero. Pizarro ist Werder, sagen viele andere.

Nur zu gern hätte Guerrero ein derartiges Standing beim HSV wie Pizarro bei Werder. Der 28-Jährige sitzt im fünften Stock der Imtech-Arena, lächelt mindestens genauso höflich wie sein Bremer Kumpel fast zeitgleich etwas weiter südlich und übt sich im Understatement. "Ich kann nicht sagen, wer der Bessere von uns ist. Wir haben unterschiedliche Qualitäten", sagt er.

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Dabei hätte Guerrero, der in Hamburg immer wieder auf mutmaßliche Skandale und Skandälchen reduziert wird, allen Grund, etwas selbstbewusster zu sein. Seit Thorsten Fink, der noch mit Pizarro beim FC Bayern in einem Team spielte, das Traineramt beim HSV übernommen hat, ist Guerrero mit beeindruckenden sechs Toren im Aufwind. In der Nationalmannschaft Perus gilt er spätestens seit der erfolgreichen Copa América sogar vor Pizarro als unangefochtene Nummer eins im Sturm. "Paolo wartet nur so auf einen möglichen Fehler von seinen Gegenspielern. Erst lauert er, dann schlägt er zu", sagt Pizarro, dessen Werder-Trikot bereits seit gestern in der Gästekabine der Imtech-Arena aufzufinden ist - Guerrero hat es für seinen Freund zurechtgelegt.

So ganz hat es zwischen Pizarro und Guerrero mit der Kontaktsperre in dieser Woche allerdings nicht geklappt. Eine SMS am Valentinstag hätte er von seinem Stürmerkollegen bekommen, verrät Pizarro am Ende des Gesprächs. Den Inhalt der Nachricht will er allerdings nicht preisgeben. Ob er denn Guerrero übers Fernsehen grüßen wolle, fragt ein TV-Reporter. "Wir sehen uns am Wochenende", antwortet Pizarro, der offen lässt, ob er das als Drohung oder Gruß meint.