Ein Duell auf Augenhöhe ist das Spiel HSV gegen Werder in vielerlei Hinsicht: In Hamburg wie in Bremen sind die wirtschaftlichen Zwänge groß.

Hamburg/Bremen. Wer hätte es für möglich gehalten, dass diese Sätze im Verlauf der Saison noch fallen? "Ich sehe den HSV als Mitkonkurrenten um die internationalen Plätze", sagte Bremens Klubchef Klaus Allofs gestern mit Blick auf das Nordderby am Sonnabend (15.30 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de ). Als Tabellenfünfter hat Werder sieben Punkte Vorsprung vor den Hamburgern. Ein "Duell auf Augenhöhe" (Mladen Petric) ist das Treffen aber in vielerlei Hinsicht. Wie sehr sich beide Vereine im Wandel befinden, zeigt ein Blick auf die Aufstellungen vom letzten Nordderby in Hamburg vor fast genau einem Jahr. Beim HSV werden mit Aogo, Westermann, Petric und Guerrero morgen nur noch vier Akteure auflaufen, die am 19. Februar 2011 für den 4:0-Erfolg sorgten. Bei den Gästen werden mit Fritz, Bargfrede und Arnautovic wohl sogar nur noch drei Fußballer anfangen, die auch damals beim Anpfiff auf dem Platz standen.

Während der HSV nach der verpassten Europapokal-Teilnahme im Sommer das Gehaltsniveau von 48 auf knapp über 40 Millionen Euro gedrückt hat, ist auch Bremen zum Sparen verdammt. Noch im vergangenen Geschäftsjahr durfte der Nordnachbar bei einem Umsatz von 119 Millionen Euro ein stolzes Rekordplus von 8,2 Millionen Euro vermelden, was aber nur durch den Verkauf von Mesut Özil nach Madrid (17 Millionen Euro) und die Champions-League-Einnahmen (17,6 Millionen Euro) möglich wurde.

+++ Info: Finks Schrei-Ansage +++

Nachdem Bremen aber die erneute Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb verpasste, wurde die Abhängigkeit von den Zusatzeinnahmen deutlich. Der erfolgsverwöhnte Verein - sechs Teilnahmen in der Champions League in sieben Jahren - trennte sich von Torsten Frings und verkaufte Per Mertesacker (für 11,3 Millionen Euro zu Arsenal), um sein Gehaltsniveau von nur knapp unter 50 Millionen Euro zu reduzieren. Aktuell steht der Verkauf des Brasilianers Wesley (7,5 Millionen Euro Ablöse zu Beginn der Saison) für sechs Millionen Euro nach São Paulo vor dem Vollzug. Wirtschaftlich erschwerend kam hinzu, dass der Ausbau des Weserstadions 76 statt 60 Millionen Euro kostete. Außerdem hat die Targo-Bank angekündigt, ihr Engagement als Hauptsponsor zu beenden.

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Wie der HSV, der wegen geringerer TV-Einnahmen, gesunkener Zuschauerzahlen und ausbleibender Zusatzeinnahmen im DFB-Pokal mit seinem geplanten Umsatz von 135 Millionen Euro auf ein erneutes Minus zusteuert, wird längst auch an der Weser von einem kräftigen Millionenverlust ausgegangen. Investitionen in die Mannschaft sind da kaum möglich. HSV-Klubchef Carl Jarchow hat bereits erklärt, dass beim Verpassen eines Europa-League-Platzes weitere Einsparungen notwendig sind, was Mladen Petric nicht gern hört, schließlich läuft sein Vertrag im Juni aus. In Bremen enden die gut dotierten Kontrakte von Claudio Pizarro (vier Millionen Euro Gehalt), Tim Wiese, Clemens Fritz, Tim Borowski. Dass Werder alle vier altgedienten Spieler halten kann und will, scheint ausgeschlossen. Als offenes Geheimnis gilt, dass sich Bremen von Marko Marin (Vertrag bis 2013) trennen würde, sollte sich ein solventer Interessent melden.

+++ Tore, Tränen, Tritte - die großen Derby-Momente +++

Während sich Bremens Coach Thomas Schaaf in seiner bald 13-jährigen Schaffenszeit nicht gerade den Ruf erworben hatte, bevorzugt Talente einzusetzen, zeugt die mutmaßliche Elf gegen den HSV vom drastisch eingeleiteten Jugendkurs: Florian Hartherz, 18, François Affolter, 20, Tom Trybull, 18, Aleksandar Ignjovski, 21, Marko Arnautovic, 21, Philipp Bargfrede, 22, Zlatko Junuzovic, 21, und Sokratis, 23, können zwar Talent, aber wenig Bundesligaspiele vorweisen. Im Vergleich dazu mutet das HSV-Team trotz der erfolgten Umbaumaßnahmen noch immer erfahren an, da Talente wie Son, Lam, Bruma und Arslan auf der Bank sitzen oder derzeit verletzt sind (Töre).

+++ Kampf gegen die Pyrotechnik - Einlasskontrollen verschärft +++

Auch wenn vorher die Bedeutung eines Sieges gegen den Nordrivalen für die Fanlager gern hervorgehoben wird: Viel wichtiger ist für beide Vereine, ihre Chancen auf das Erreichen des internationalen Geschäfts zu erhalten beziehungsweise zu verbessern, mit unmittelbaren Folgen für den finanziellen Handlungsspielraum.

Immerhin: Einen Posten konnte der HSV schon einsparen. Da vom Werder-Vorstand nur Klaus Allofs am Sonnabend in Hamburg weilt, musste das Traditionsessen der Führungsetage vor der Partie abgesagt werden.

Weitere Informationen zum Nordderby unter www.abendblatt.de/matzab