Damit schalteten weniger TV-Zuschauer ein als noch in der Vorrunde. In Hamburg feierten 35.000 Menschen bis tief in die Nacht den Sieg gegen die Griechen.

Danzig/Hannover. 26,80 Millionen Zuschauer sahen am Freitagabend den Halbfinaleinzug der Deutschen Nationalmannschaft im ZDF. Damit verpasste der 4:2-Sieg der DFB-Auswahl gegen Griechenland den Quotenrekord. Bei den Vorrundenspielen gegen Dänemark (27,67 Millionen) und gegen die Niederlande (27,28 Millionen) hatten jeweils mehr TV-Zuschauer eingeschaltet. Der Marktanteil für das Griechenland-Match lag nach Senderangaben aber bei sehr hohen 77,8 Prozent. Das ist der bisherige Bestwert für das EM-Turnier in Polen und der Ukraine. Bei der Ermittlung der TV-Quoten werden die zahlreichen Fans, die die EM-Spiele beim Public Viewing verfolgen, nicht berücksichtigt. In Hamburg feierten laut Polizeiangaben rund 35.000 Menschen friedlich auf dem Hamburger Kiez bis tief in die Nacht.

Wie ein Wirbelwind ist Deutschland ins Halbfinale der EM und zu einem Weltrekord gestürmt. Auf dem Weg zum vierten Titel spielte die Auswahl von Rotationskünstler Joachim Löw die griechischen Maurermeister bisweilen schwindelig und steht nach einem 4:2 (1:0) zum siebten Mal bei einer EM-Endrunde unter den letzten Vier. Nach dem Rekord von 15 Pflichtspielsiegen in Serie, der vor den Augen der jubelnden Bundeskanzlerin Angela Merkel auch durch den 1:1-Ausgleich der Griechen nicht gefährdet war, wartet als nächste Hürde ein Klassiker: Am kommenden Donnerstag geht es in Warschau gegen England oder Italien.

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"Das ist eine Klasseleistung der Mannschaft, wir können stolz sein“, sagte Bundestrainer Löw, der mit seinen Personalentscheidungen goldrichtig gelegen hatte. Die Griechen, sagte Löw, „haben aus einer Chance zwei Tore gemacht. Sie haben nur Fußball verhindert. Wir hatten so viele Chancen, dass die Tore fast zwangsläufig gefallen sind.“ Für das Halbfinale hat er keine Vorliebe: „Beide Gegner sind unangenehm.“

Die deutsche Mannschaft ließ in einem einseitigen Viertelfinale jedoch nur kurzzeitig Spannung zu, ehe Sami Khedira (61.), Miroslav Klose (68.) und Marco Reus (74.) in Danzig für den glanzvollen Sieg sorgten. Zuvor hatte Philipp Lahm (39.) die auf vier Positionen umformierte deutsche Auswahl in Führung gebracht. Noch ehe Georgios Samaras das 1:1 erzielte (55.), hätte das Spiel entschieden sein müssen. Griechenland, Europameister von 2004, stand unter permanentem Druck und war beim Rauswurf aus der EURO-Zone noch gut bedient. Das zweite Tor durch einen Handelfmeter von Dimitrios Salpingidis (89.) war nur Kosmetik.

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Lahm bemängelte aber, die deutsche Mannschaft habe es sich „mit vielen Fehlern selbst unnötig schwer gemacht“. Er folgerte: „Das müssen wir im Halbfinale abstellen.“ Dort, vermutete Khedira, werde es „nicht einfach. Aber wenn wir unser Potenzial abrufen, sind wir schwer zu schlagen.“

Die deutsche Mannschaft, die endlich wieder an die Leichtigkeit der WM 2010 erinnerte, hätte vor 38.751 Zuschauern angesichts einer Fülle von Chancen noch höher gewinnen können. Nicht zuletzt der Einsatz von Klose, Reus und Andre Schürrle, die Löw anstelle von Mario Gomez, Thomas Müller und Lukas Podolski in die Anfangsformation gestellt hatte, sorgte für frischen Wind. „Das war der Tag der Veränderungen. Ich wollte da vorne neuen Schwung reinbekommen“, sagte Löw. Müller kam in der 66. Minute für Schürrle, als Deutschland drauf und dran war, die Griechen auseinanderzunehmen. Am Ende durften auch Gomez und erstmals Mario Götze ran.

Von der guten alten Devise, ein siegreiches Team nie zu ändern, scheint Löw wenig bis nichts zu halten, doch wieder einmal traf er mit einem goldenen Händchen die richtigen Entscheidungen. Dass nach dem dritten Sieg im dritten Gruppenspiel Jerome Boateng für Lars Bender wieder in die Startelf rücken würde, davon war auszugehen, die anderen Wechsel aber waren Überraschungen. Die Torschützen der ersten drei Spiele saßen auf der Bank, die Länderspiele und Länderspieltore von Müller und Podolski (130/54) wurden getauscht gegen bislang 21 Länderspiele und 8 Treffer.

Klose (34), mit nun 64 Toren auf der Jagd nach Gerd Müller (68 Treffer), hob das Durchschnittsalter der deutschen Startelf auf immer noch jugendliche 25,09 Jahre an, er stand von Beginn an im Blickpunkt. Bereits nach 35 Sekunden tauchte er nach Zauberpass von Mesut Özil vor dem griechischen Tor auf - der Bremer Sokratis rettete zur Ecke. Eine gute Minute später rutschte Klose nach einer Hereingabe von Reus am Elfmeterpunkt weg - er wäre völlig frei gewesen. Und nach 3:15 Minuten lag der Ball im Tor der Griechen - Bastian Schweinsteiger hatte nach einem Schuss von Sami Khedira allerdings aus Abseitsposition „abgestaubt“.

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Fußball spielen wollten die Griechen offensichtlich nicht. Selbst wenn die deutsche Mannschaft 30 Meter vor dem Tor angelangt war, standen zwischen ihr und der Torlinie noch 10 Mann. Das Rezept dagegen war Fußball mit rasanten Kombinationen, denen aber erst ein bisschen die Präzision fehlte, auch beim Abschluss: Özil schoss freistehend Torhüter Michalis Sifakis an (23.), der auffällige Reus scheiterte an Sifakis (24.), Reus jagte den Ball neben das Tor (25.).

Löw wurde unruhig, verständlich: Eine alte Fußballer-Weisheit sagt auch, dass der einen Gegentreffer kassiert, der seine Chancen nicht nutzt. Und in der Tat fanden die Griechen hin und wieder auch offensiv statt - bei einem strammen Schuss von Sotirios Ninis (32.) musste sich Torhüter Manuel Neuer lang machen und nachfassen. Die Griechen ließen sich von ihrer Taktik auch nach dem 1:0 durch den 5. Treffer im 90. Länderspiel von Lahm nicht abbringen, sie blieben bei den wenigen Gegenstößen gefährlich.

Die deutsche Mannschaft reagierte - unbeeindruckt. Und mit noch mehr Entschlossenheit. Und mit mehr Zielstrebigkeit. Khedira traf nur sechs Minuten nach dem Ausgleich, Griechenland wirkte konsterniert. Dann traf Klose, und die griechische Mauer brach auseinander.

Die Statistik:

Deutschland: Neuer (Bayern München/26 Jahre/30 Länderspiele) – J. Boateng (Bayern München/23/24), M. Hummels (Borussia Dortmund/23/18), Badstuber (Bayern München/23/24), Lahm (Bayern München/28/90) – B. Schweinsteiger (Bayern München/27/94), S. Khedira (Real Madrid/25/31) - Reus (Borussia Mönchengladbach/23/7 – 80. Götze Borussia Dortmund/20/15), Özil (Real Madrid/23/37), Schürrle (Bayer 04 Leverkusen/21/16 – 67. T. Müller Bayern München/22/31) – M. Klose (Lazio Rom/34/120 – 80. Gomez Bayern München/26/56)

Griechenland: Sifakis – Torosidis, Sokratis, K. Papadopoulos, Tzavellas (46. Fotakis) – Makos (72. Liberopoulos), Maniatis – Ninis (46. Gekas), Katsouranis, Samaras – Salpingidis

Schiedsrichter: Damir Skomina (Slowenien) – Zuschauer: 40.000

Tore: 1:0 Lahm (39.), 1:1 Samaras (55.); 2:1 S. Khedira (61.); 3:1 M. Klose (68.); 4:1 Reus (74.); 4:2 Salpingidis (89./Handelfmeter)

Gelbe Karten: Keine – Sokratis, Samaras

Sperre droht: Keiner – Keiner