Die einstige deutsche Weltklassestürmerin ist nur ein Schatten ihrer selbst. Nicht nur die Unterlippe offenbart das Seelenleben der 33-Jährigen.

Frankfurt/Main. Sie bebt. Die Unterlippe der Birgit Prinz bebt unaufhörlich, und in diesen Momenten in den Katakomben des Frankfurter Stadions scheint es, als könne alles passieren. Als könne die Rekordnationalspielerin unter Deutschlands Frauen jede Sekunde einen Wutanfall erleiden oder einen Zusammenbruch. Tatsächlich bleibt Birgit Prinz sie selbst: Mit für sie in typischer Weise gespielter Gleichgültigkeit versucht die 33-Jährige, Distanz aufzubauen zwischen sich und den Fragenstellern. Doch ihre Unterlippe offenbart verräterisch das Seelenleben der Stürmerin. Es nervt sie schlichtweg, dass sie sich das Erlebnis der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, den einkalkulierten Laufbahnhöhepunkt, von einer Debatte um die Berechtigung ihres Stammplatzes verderben lassen muss - nach 214 Einsätzen und 128 Toren für Deutschland.

Zwei Spiele ist diese WM alt, nach dem 2:1 gegen Kanada und dem 1:0 gegen Nigeria liegt die deutsche Auswahl mit der vorzeitigen Qualifikation für das Viertelfinale auf Kurs. Und doch könnte für Prinz nach einer abermals hoffnungslos schwachen Leistung schon bald kein Platz mehr sein in der Startelf, und in diesem Fall säßen mit ihr und der als Starspielerin titulierten Fatmire Bajramaj die beiden bekanntesten Gesichter im deutschen Team fortan nur noch auf der Bank. Dabei sind die als Werbefigur bekannte Bajramaj und die seit einer Ewigkeit präsente Prinz Bezugspersonen für Millionen Fernsehzuschauer.

Birgit Prinz ahnt das Dilemma, in das sie die Bundestrainerin mit jedem weiteren schlechten Spiel manövriert. Aus der Weltklassespielerin von einst ist schon länger eine normale Mitspielerin geworden. Aber muss Neid sie nun erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit in einem wichtigen Spiel auf die Bank setzen, wäre das ein Fanal für den Rest des Turniers. Und als Joker taugt Prinz kaum. Von ihren Kolleginnen würde das freilich keine so deutlich sagen. Sie legen stattdessen ihre Hoffnung in den Mythos von der "Turnierspielerin Prinz", und dass es ja wieder so kommen könne wie 2009. Bei der EM vor zwei Jahren hatte die Stürmerin auch nicht getroffen - bis zum Finale, in dem Prinz es beim 6:2 gegen England mit zwei Treffern "allen gezeigt" habe, verteidigt Ariane Hingst ihre Zimmerpartnerin. Doch im Hier und Jetzt mutete es wie bittere Ironie an, dass der DFB-Elf gegen Nigeria just da das Tor zum 1:0 gelang, als Prinz auf der Bank Platz genommen hatte. Schon beim Gang vom Feld war die Wut aus ihr herausgebrochen. Sie riss sich die Kapitänsbinde vom Arm und warf sie fort. "Es ist doch klar, dass ich nicht glücklich war, als ich schon nach 50 Minuten ausgewechselt worden bin", sagte sie.

Prinz, die mit dem Credo in die WM gegangen ist, sie wolle "das Beste rausholen und mal schauen, was daraus wird", muss erkennen, dass ihr Bestes immer weniger genügt. Das kann weitreichende Konsequenzen haben. Ihr Ende auf internationaler Bühne hat die Grande Dame des deutschen Frauenfußballs für die Zeit nach der WM schon verfügt. Ihr Klubmanager beim 1. FFC Frankfurt, Siegfried Dietrich, sagte: "Scheidet Deutschland schon früh aus, im Viertelfinale etwa, wäre das wohl auch das Ende von Birgits Karriere."