Gegen Uruguay kommt am Sonnabend auch die zweite Wahl zum Einsatz. Dennis Aogo vom HSV hofft auf einen Platz in der deutschen Startelf.

Erasmia. "Früher", sagt Philipp Lahm mit schonungsloser Offenheit, "habe ich mir diese Spiele gar nicht angeschaut. Das interessierte mich nicht." Das "kleine Finale" der Frustrierten, denen der Einzug ins WM-Endspiel versagt geblieben war, ist eben für titelhungrige Fußballer der Kategorie Lahm eigentlich wenig bis nichts wert.

Es ist der Mittag nach der 0:1-Niederlage im Halbfinalspiel gegen Spanien. Nach dem Rückflug von Durban nach Johannesburg war die Mannschaft um drei Uhr nachts im Velmore Grande angekommen. Wie nach jedem Spiel war ein Buffet angerichtet, doch kaum einer rührte das wie üblich kredenzte Schnitzel an. Frustabbau mittels Getränken blieb ebenfalls aus. Schnell flüchteten die Spieler aus der allgemeinen Tristesse in ihre Zimmer. Tapfer muss Lahm nun, ein paar Stunden später, erklären, wie schön es wäre, sich mit Platz drei und einem Sieg über Uruguay am Sonnabend (20.30 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) aus dem Turnier zu verabschieden und die "Bronzemedaille" mit nach Hause zu nehmen. Die Körpersprache des Profis von Bayern München verrät seine wahren Gefühle: Der müde Blick zielt ins Nichts, der gedankenschwere Kopf muss von einer Hand gestützt werden: Was soll ich bloß mit einer Trophäe des Kurz-vor-Schluss-Scheiterns?

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"Wir müssen sicherlich zunächst die Enttäuschung verarbeiten und die Spieler aufrichten", sagt Bundestrainer Joachim Löw. "Aber wir werden uns mit aller Ernsthaftigkeit gut auf dieses Spiel vorbereiten. Denn wir wollen alle bei der WM einen guten Abschluss, da wir trotz der Halbfinalniederlage ein sehr gutes Turnier gespielt haben. Deshalb bin ich auch stolz auf meine Mannschaft." Die Aufgabe nach dem enormen Druckabfall und Energieverlust wird jedoch nicht einfach, zumal Uruguay mit einem Tag mehr Regenerationszeit frischer sein dürfte.

Immerhin: Christian Wulff nimmt für das Spiel um den Trostpreis freiwillig einige Tausend Kilometer Reise auf sich, um dem Team die letzte WM-Ehre zu erweisen. Der neue Bundespräsident kommt nach Port Elizabeth und will mit seinem Tribünenbesuch seine Dankbarkeit für eine "tolle, junge deutsche Mannschaft" ausdrücken.

Auch Angela Merkel versuchte sich als Trostspenderin. Die Kanzlerin rief am Donnerstagmittag erst DFB-Manager Oliver Bierhoff und dann auch noch Bundestrainer Joachim Löw an, um den beiden laut DFB-Mediendirektor Harald Stenger zu versichern, dass die Mannschaft am Kap "ein hervorragendes Bild von Deutschland" abgegeben habe. Mit welcher Mannschaft die Nationalelf versuchen wird, den dritten Platz von der WM 2006 zu verteidigen, war gestern noch völlig offen. Die kräftezehrenden Duelle gegen Ghana, England, Argentinien und jetzt Spanien haben ihre Spuren hinterlassen. Während Sami Khedira und Mesut Özil nach dem Spanien-Spiel über muskuläre Probleme klagten, hat Torjäger Miroslav Klose vor seiner wohl letzten Gelegenheit, den WM-Rekord von Brasiliens Ronaldo (15 Tore) einzustellen, massive Rückenschmerzen. "Er ist nach einem Kopfball unglücklich auf die Wirbelsäule gefallen. Man muss sehen, ob er zur Verfügung steht", wollte Co-Trainer Hans-Dieter Flick einen Ausfall des vierfachen Torschützen nicht ausschließen. Zudem zog sich Philipp Lahm gegen Spanien eine Prellung am Fuß zu.

Der "WM-Kapitän" gab aber selbst Entwarnung: "Ich kann auf jeden Fall auflaufen." Wie schon vor vier Jahren, als Oliver Kahn in Stuttgart beim 3:1 gegen Portugal für Jens Lehmann ins Tor durfte, wird der Trainerstab in seinen Überlegungen für die Nominierung der Mannschaft auch dieses Mal jene Spieler bevorzugt behandeln, die während des Turniers noch keine Minute zum Einsatz gekommen sind. "Wir überlegen, ob wir den einen oder anderen Spieler belohnen", bestätigte Flick. "Sie haben tolle Arbeit geleistet und es sich verdient, eine Chance zu bekommen. Da kann man etwas zurückgeben. Ich denke, dass uns frisches Blut guttut."

Chancen darf sich etwa Stürmer Stefan Kießling ausrechnen. Auch der Stuttgarter Serdar Tasci sowie HSV-Profi Dennis Aogo, die noch ohne Einsatz bei dieser WM sind, dürfen hoffen - genau wie der Bremer Torwart Tim Wiese, der trotz seines Ehrgeizes tapfer sein Reservistendasein ertragen hatte. Bliebe nur Jörg Butt übrig, der bereits bei der WM 2002 in Japan und Südkorea als dritter Torwart außen vor blieb. Aber da es gegen Uruguay nicht um Gold geht, wird er es verschmerzen.