2012 wartet die nächste große Aufgabe für die deutsche Mannschaft. Dann ist EM. Bis dahin soll der Abstand zu Spanien verkürzt sein.

Erasmia. Vor zwei Jahren, am 29. Juni 2008, machte die deutsche Nationalmannschaft ihre erste Grenzerfahrung mit Spanien. Im Wiener Ernst-Happel-Stadion verlor sie das EM-Finale mit 0:1 und war dabei völlig chancenlos. Zwei Jahre später, nach dem 0:1-K.-o. im WM-Halbfinale , bekam die DFB-Auswahl erneut ihre Grenzen aufgezeigt - was auf den ersten Blick wie Stillstand klingt. Aber der Eindruck täuscht. Am Mittwochabend spielte eine Mannschaft, die noch mitten in ihrer Entwicklung steckt, gegen ein Team in der Blüte seiner Leistungsstärke.

Von der " besten Mannschaft , in der er bisher für Deutschland gespielt" habe, hatte Philipp Lahm vor dem Turnier geschwärmt und durfte sich bestätigt darin fühlen, dass die Nationalmannschaft unter der Führung von Bundestrainer Joachim Löw ein beachtliches internationales Niveau erreicht hat. Aber um "die beste Mannschaft der Welt" zu schlagen, wie Bastian Schweinsteiger die Spanier einstufte, dafür war diese DFB-Elf noch nicht bereit.

"Um gegen so eine Mannschaft bestehen zu können, musst du kompakt stehen und taktisch sehr gut spielen, aber in dieser Hinsicht haben uns in der Vorbereitung ein paar Tage gefehlt", glaubte Schweinsteiger. Doch selbst bei einem längeren Zusammensein mit den verspätet angereisten Bayern-Spielern wäre wohl kaum der Umstand zu kompensieren gewesen, dass die Spanier sowohl in ihrer Nationalmannschaft als auch im Verein - sechs Feldspieler kamen vom FC Barcelona - seit einigen Jahren ihren Spielstil zur Reife gebracht haben. Anders als die Deutschen waren Xavi & Co. selbst in Bedrängnis in der Lage, schnelle, präzise Pässe zu spielen und wie ein unkontrollierbarer Bienenschwarm über die Deutschen herzufallen. In der Defensive diente Spanien erneut als Lehrmeister für eine kompakte Arbeit in nahezu perfekter Raumgestaltung.

Allerdings war der Angriffsschwung ohne den gesperrten Thomas Müller auch entscheidend geschwächt. Ausfälle dieser Güte kann der deutsche Kader eben auch noch nicht verkraften. "Thomas hat zuletzt überragend gespielt, er war torgefährlich und unberechenbar. Er hätte uns gegen Spanien sehr gut getan", gestand Löw ein. Nach dem Halbfinalaus wurde noch im Stadion darüber diskutiert, ob der Rückstand zu den Spaniern bis zur EM 2012 aufgeholt werden kann. "Wir haben die Möglichkeiten, das Niveau der Spanier zu erreichen und ganz oben mitzuspielen, weil unsere Qualität stimmt", glaubt Lahm, "uns steht alles offen, aber es wird kein Selbstgänger." Der "Mangel an Erfahrenheit", der laut Schweinsteiger letztlich den Ausschlag für den Sieg der Spanier gegeben habe, spricht auf der anderen Seite dafür, dass sich die Mannschaft bis zum Turnier in Polen und der Ukraine steigern kann und wird. Anders als bei früheren Turnieren ist kein einziger Rücktritt zu erwarten. Joachim Löw, sollte er erwartungsgemäß Bundestrainer bleiben, kann mit hochtalentierten Fußballern wie Mesut Özil, Thomas Müller oder Sami Khedira weiter am Verfeinern seines von der Offensive geprägten "Systems des Handelns" feilen.

Erleichtern könnte Löw die "Passschule für Fortgeschrittene", die Louis van Gaal bei Bayern München in der kommenden Saison wieder anbietet. Der Niederländer, der den Fußball vor allem als Spiel definiert, das von Geschwindigkeit und Genauigkeit in den Pässen geprägt ist, dürfte nicht nur den Bayern-Block mit Lahm, Schweinsteiger, Müller, Klose und Badstuber verbessern, sondern auch auf Nachahmer in den anderen Bundesligaklubs stoßen. Mit den gestiegenen technischen Fertigkeiten könnte indirekt auch das Selbstvertrauen in die eigene Stärke steigen, das den Nationalspielern am Mittwochabend fehlte, sie hemmte und in eine zaghafte Passivität trieb.

Ein großes Plus dieser Spielergeneration ist ihr Wissensdurst und ihr Ehrgeiz, die Bandbreite ihres Könnens zu vergrößern. Diese Gier dürfte durch den Konkurrenzdruck von unten noch befeuert werden. Manuel Neuer, eigentlich vor Turnierbeginn nur die Nummer zwei, hat sich zwar vorerst den Stammplatz im Tor gesichert, doch beim ersten Schwächeanfall des Schalkers stünde René Adler (Leverkusen) bereit. Mats Hummels und Kevin Großkreutz (beide Dortmund), Benedikt Höwedes (Schalke) und Stefan Reinartz (Leverkusen) drängen ins Team, Serdar Tasci (Stuttgart), bislang nur als WM-Tourist in Südafrika dabei, passt mit seinen vertikalen Pässen im Grunde ausgezeichnet in das Konzept Löws.

Ob dieser beim nächsten Versuch, die bestehenden Grenzen zu überwinden, auf Michael Ballack setzt, ist die spannendste Personalie für den Bundestrainer. "Ich werde nach dem Turnier nicht zum Bundestrainer gehen und ihm die Binde zurückgeben", erneuerte Lahm zwar seinen Wunsch, dem Team weiter als Kapitän vorzustehen. Zugleich ruderte er nach seinen offensiven Aussagen in dieser Woche zurück: "Wenn Michael das Amt wieder zugetragen wird, ist es eben so, damit hätte ich kein Problem. Auch in diesem Fall würde ich weiter Verantwortung übernehmen." Was auch notwendig wäre, um Spanien auf Augenhöhe zu begegnen. Denn dort gibt es im Team nicht einen herausragenden Star, sondern eine Ansammlung von herausragenden Teamspielern.