Die internationale Presse feiert die “Rote Herrlichkeit“ und Krakenorakel Paul, lobt aber auch die Turnierleistung der Deutschen.

Durban/Hamburg. Nach dem hochverdienten 1:0-Halbfinalsieg der Spanier gegen die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft im WM-Halbfinale in Südafrika überschlägt sich die internationale Presse in Lobesbekundungen für den Europameister von 2008. "Das fantasievolle Spiel und das spanische Temperament haben die deutsche Maschine ausgeschaltet", schreibt die spanische "El Pais". Die britische "Sun" spricht von einem "großartigen Schlagabtausch zwischen zwei europäischen Schwergewichten" und weiter: "Der deutsche Brummi wurde von der Straße gedrängt". Auch das Krakenorakel Paul aus Oberhausen findet durch seine erneute richtige Vorhersage des Siegers die Symphatien in den europäischen Medien. „Paul irrt nicht: Der Oktopus erwies sich als schlechtes Omen für die Deutschen", heißt es in der italienischen "Libertà".

TV-Rekord! 31,1 Millionen sahen Deutschlands Titeltraum platzen

Nicht nur auf den Fanfesten, in Kneipen oder Biergärten versammelten sich am Mittwochabend die Menschen zum Public Viewing. Auch vor den heimischen TV-Geräten fieberten die Deutschen mit ihrer Nationalmannschaft während des Halbfinals der Weltmeisterschaft gegen Spanien. Während die DFB-Auswahl am Ende mit leeren Händen da stand, konnte sich die ARD über eine Rekordzuschauerzahl freuen. 31,10 Millionen Zuschauer erlebten die 0:1-Niederlage des deutschen Teams gegen den Europameister live vor den Bildschirmen und sorgten damit bei den Mittelwerten für den erstmaligen Durchbruch der 30-Millionen-Schallmauer bei Fußball-Übertragungen im deutschen Fernsehen. Der Marktanteil für die Übertragung im Ersten aus Durban lag bei 83,2 Prozent.

Der vorher beste Durchschnittswert datierte vom Semifinale der deutschen Elf bei der Heim-WM 2006 vor vier Jahren am 4. Juli gegen Italien mit 29,66 Millionen Zuschauern im ZDF. In der Verlängerung waren damals sogar 31,31 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 91,2 Prozent) registriert worden.

Lesen Sie hier den Spielbericht von Abendblatt-Reporter Alexander Laux aus Durban

Aus und vorbei! Mit hängenden Köpfen schlichen die deutschen Spieler über den Rasen des Moses-Mabhida-Stadions, während im Hintergrund die Spanier frenetisch ihren ersten Einzug in ein Weltmeisterschaftsfinale feierten. "Natürlich ist die Enttäuschung riesengroß. Wir haben einfach nicht mutig genug nach vorne gespielt", sagte der völlig frustrierte Philipp Lahm nach dem Schlusspfiff. Auch Trainer Joachim Löw, der direkt nach dem Spiel seinem Kollegen Vincente Del Bosque gratulierte, erkannte den verdienten 1:0-Sieg der Iberer an: "Kompliment an die Spanier. Ich glaube, dass sie Weltmeister werden. Sie sind spielerisch so gut, sie haben uns an die Grenzen gebracht." Statt also am Sonntagabend im Soccer-City-Stadion gegen die Niederlande die Neuauflage des Endspiels von 1974 zu zelebrieren, hat die DFB-Elf nun am Sonnabend (20.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de ) die zweifelhafte Ehre, gegen Uruguay den WM-Dritten auszuspielen.

DFB-Team hatte von Anfang an Schwierigkeiten, ins Spiel zu finden

Bereits von der ersten Minute an wurde deutlich, was an diesem Abend auf dem Spiel stand. Das richtige Ergebnis war an diesem Abend das Einzige, was zählte, hier ging es nicht um Zauber oder Spektakel. So war es kein Wunder, dass sich eine vom gegenseitigen Belauern geprägte Partie entwickelte, in der beide Teams auf den Fehler des anderen warteten. Im Rasenschach hatten die Spanier - Pedro ersetzte Torres, wodurch sechs Barcelona-Profis und drei Spieler von Real Madrid in der Formation standen - wie erwartet die Balldominanz. Bundestrainer Löw hatte offensichtlich die Anweisung gegeben, die Spanier bis zur Mittellinie kombinieren zu lassen und dann einen dichten Defensivverbund aufzubauen, um ein Vordringen in die gefährliche Zone der Deutschen zu verhindern - was zwar meistens gelang, aber dennoch liefen die DFB-Spieler viel zu selten dem frischer wirkenden Gegner hinterher. Vor allem die ständig ihre Positionen wechselnden Pedro und Iniesta sorgten für Unruhe, der bärenstarke Xavi steigerte sich von Minute zu Minute. Einzig die bereits in den früheren Spielen der Spanier beobachtete Abschlussschwäche verhinderte einen Rückstand - zunächst zumindest.

ENTTÄUSCHUNG AUF DEM HAMBURGER FANFEST

Im deutschen Spiel hingegen war viel zu wenig Bewegung, viel zu schnell wurden die Bälle in der Vorwärtsbewegung wieder verloren, kaum einmal ging die Kontertaktik auf. "Die Spanier haben das Heft in der Hand gehabt und viel mehr Chancen herausgespielt", analysierte Torhüter Manuel Neuer, der sein Team mehrfach vor einer höheren Niederlage bewahrte. Chancen auf der Gegenseite waren dagegen Mangelware - der in den früheren Spielen gesehene Sturm und Drang blieb aus. Zwar machte Thomas Müllers Vertreter Piotr Trochowski (siehe auch Seite 24) seine Sache eine gute Stunde lang ordentlich, dennoch fehlte dem Deutschen der dynamische Vorwärtsdrang des Bayern-Profis. "Am Ende war Spanien heute besser, von uns war es leider zu wenig", gab der später eingewechselte HSV-Profi Marcell Jansen offen zu.

In der 73. Minute zerplatzte der DFB-Traum vom achten Endspiel

Nach dem Seitenwechsel änderte sich nur wenig an den Machtverhältnissen auf dem Spielfeld: Spanien kombinierte, Deutschland reagierte - zumindest bis zur 73. Minute. Als Puyol nach einem Eckball plötzlich durch den deutschen Strafraum segelte, bildete ein DFB-Sextett bereitwillig Begleitschutz, konnte den Barcelona-Star aber nicht am Kopfball hindern - 0:1. Damit war der Wunsch von der achten Finalteilnahme im zwölften Halbfinalspiel nur noch eine Vision. Spätestens als sogar Spaniens Königin Sofia auf der Tribüne kurz nach dem Schlusspfiff begeistert klatschte, wusste auch der Letzte im deutschen Lager, dass der Traum vom Endspiel endgültig ausgeträumt war.

Deutschland: Neuer - Lahm, Mertesacker, Friedrich, Boateng (52. Jansen) - Khedira (81. Gomez), Schweinsteiger - Trochowski (62. Kroos), Özil, Podolski - Klose.

Spanien: Casillas - Sergio Ramos, Piqué, Puyol, Capdevila - Busquets - Iniesta, Xabi Alonso (90.+3 Marchena), Xavi, Pedro (85. Silva) - Villa (81. Torres).

Tor: 0:1 Puyol (73.). SR: Kassai (Ungarn). Z.: 60 960.