Britta Steffen hat mit Weltrekord über 100 Meter Freistil für einen Paukenschlag bei den 121. deutschen Schwimm-Meisterschaften gesorgt.

Berlin. Mit der Freude über den Weltrekord und die Erfüllung ihres „zweiten Lebenstraums“ hielt sich Olympiasiegerin Britta Steffen nur kurz auf. Die 25-Jährige sprach unverblümt über das Hauptproblem des Schwimmsports. „Mein neuer Anzug ist wie von einem anderen Stern, man schwimmt wie auf einer Luftmatratze, ich bin über eine Sekunde schneller“, sagte sie und fügte kopfschüttelnd hinzu: „Wo soll das noch hinführen?“ Dabei waren die nackten Zahlen doch so beeindruckend: Im Vorlauf über 100 Meter Freistil in 52,85 Sekunden die 15 Monate alte Bestmarke der Australierin Lisbeth Tricket um 3/100 verbessert, im wenig rekordverdächtigen Ambiente einer deutschen Meisterschaft an einem Donnerstagmorgen in Berlin den eigenen Europarekord um 2/10 und ganz nebenbei die strenge Norm des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) für die WM in Rom um 1,19 Sekunden unterboten.

Britta Steffen wusste die besonderen Umstände des Rekords einzuordnen. „Dieser Anzug ist nächstes Jahr nicht mehr erlaubt, was auch gut ist, weil diese Materialschlacht den Schwimmsport kaputt macht“, sagte die Doppel-Olympiasiegerin über 50 und 100 Meter Freistil. Einen Monat vor der WMschwamm sich Steffen in die Favoritenrolle, obwohl sich die 25-Jährige seit Peking mehr auf ihr Studium konzentriert hatte.

Erst vor einer Woche war sie das neue Modell „Hydrofoil“ („Wasserfreundlich“) ihres Ausrüsters adidas das erste Mal im Training geschwommen. „Ich habe gedacht, das kann nicht sein“, schilderte sie ihren ersten Eindruck des „Weltraum-Anzugs“. Im Vorlauf um halb zehn morgens verausgabte sich Steffen noch nicht einmal – und schwamm doch diese Zeit. „Ich bin verwundert und bestürzt, dass mein Schwimmgefühl mich so getäuscht hat“, schilderte sie ihre eigene Überraschung, schätzte aber realistisch ein: „Ich bin nicht so euphorisch, weil noch viele Weltrekorde fallen werden.“ Vielleicht sogar im DM-Endlauf am Samstag.

Dass nach dem Olympiasieg ihr zweiter Lebenstraum, unter 53 Sekunden zu schwimmen, so schnell erfüllt werden würde, damit hätte Britta Steffen auch mit der neuen „Wunder-Waffe“ nicht gerechnet. „Das ist das krasseste Teil, was ich je getragen habe. Du liegst auf dem Wasser, stirbst nicht auf den letzten Metern, du hast keine Schmerzen“, sagte sie und konnte sich keinen Reim auf die Erfolgsformel machen: „Selbst Wissenschaftler wissen nicht, woran es liegt.“

Der Weltverband FINA hatte erst zu Wochenbeginn die meisten der umstrittenen „Wunder-Anzüge“ genehmigt, darunter die Neu-Entwicklung von Steffens Sponsor, den auch Rückenspezialist Helge Meeuw (Frankfurt/Main) schwimmt. Ironie der Geschichte: Der Sportartikel- Hersteller hatte erst Ende 2008 den Ausrüstervertrag mit dem DSV nach andauernder Kritik vieler Schwimmer am angeblich nicht konkurrenzfähigen Material fristlos gekündigt. Erst von 2010 an will die FINA strengere Regeln für die Anzüge erlassen, die allein im vergangenen Jahr 108 Weltrekorde ermöglicht und die Grundfesten der olympischen Kernsportart erschüttert hatten.

Der wenig konsequente Kurs, nun doch fast alle umstrittenen Anzüge zuzulassen, hatte der FINA harte Kritik von Trainern und Athleten eingebracht. Britta Steffen wird als einzige deutsche Weltrekord-Inhaberin übrigens keinen Eingang in Rekordlisten der „L'Équipe“ finden. Die französische Sportzeitung gab bekannt, sie werde erst von 2010 an wieder über Rekorde berichten, wenn eindeutige Anzug-Regeln erlassen würden.