Der neue Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel feiert in Salzburg weiter. Die Branche diskutiert: Ist er der bessere Schumacher?

Salzburg/Hamburg. Die Geste der beiden PS-Verwandten im Fahrerlager von Abu Dhabi hatte etwas von einem Staatsakt: Der alte Souverän dankt ab und führt den neuen Herrscher ein. Im Jahr eins seiner Rückkehr herzte der siebenmalige Weltmeister den frisch gekürten Champion vor dessen Garage. Michael Schumacher übergab das Lenkrad an Sebastian Vettel.

Gestern setzte das Red-Bull-Team mit seinem jungen Weltmeister den Feiermarathon in der Heimat des Namensgebers und Hauptsponsors Dietrich Mateschitz in Hangar 7 des Salzburger Flughafens fort. Wieder kreisten Flaschen und Dosen, wieder war von "Stolz", "großartigen Gefühlen" und "Glück" die Rede. Behält Sebastian Vettel recht, geht die Party aber jetzt erst richtig los. Er will "noch ein paarmal Weltmeister werden".

Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (80) hat ein untrügliches Gespür für den erfolgreichen Prototyp einer neuen Fahrergeneration. Er befeuerte die großen Duelle wie Senna gegen Prost, erkannte frühzeitig Michael Schumachers Potenzial als Idol im Land der Autofahrer, entdeckte die PR-Tauglichkeit des polyglotten Teenagerschwarms Lewis Hamilton und bezeichnet sich jetzt als "Vettels größten Fan". Was sich gut verkauft, bringt dem PS-Zirkus gut gefüllte Kassen. "Der Junge ist fantastisch", sagte Ecclestone. "Dieser Tag hat etwas Magisches."

Dafür, dass er ein Deutscher ist, hat Vettel erstaunlich wenig Feinde im britisch dominierten Formel-1-Fahrerlager. "Er ist wie Schumacher, nur viel freundlicher", fand die "Times". Nach dem atemberaubenden Finale einer irren Saison wähnt sich der Grand-Prix-Zirkus am Beginn einer neuen Ära. Aber ist dieser Sebastian Vettel in der Lage, in Deutschland noch einmal eine Euphorie wie zu Schumachers Zeiten zu erzeugen? Anders gefragt: Ist der nette, liebenswürdige Vettel der bessere Schumacher? "Rekorde", sagt er, "sind da, um gebrochen zu werden."

Die Parallelen zwischen Deutschlands Erstem und Zweitem Autofahrer sind unübersehbar. Beide haben im Kindesalter mit ihrer Leidenschaft begonnen. Beide verbrachten einen Großteil ihrer Jugend auf schmutzigen Kartbahnen. Und beide hätten sich ihren Sport ohne Förderer niemals leisten können.

Vettel ist Schumachers 18 Jahre jüngerer Wiedergänger, was Begabung, Arbeitsweise und Durchsetzungskraft angeht. Moderne Rennwagen sind keine Autos mehr, sie sind Hochleistungsrechner auf Rädern. Vettel ist ein Perfektionist, der an der Spitze eines Teams mit rund tausend Angestellten steht. Bei aller Leichtigkeit und jugendlichen Frische ist Vettel in Wahrheit ein gezüchteter Champion. Ein Mann, der bis zu fünf Stunden täglich trainiert und jeden technischen Bestandteil seines Autos versteht. Das zahlt sich aus.

Auch für den deutschen Formel-1-Fernsehsender. RTL kann die Vettelmanie an den Einschaltquoten ablesen. Nach Jahren dümpelnder Quoten bescherte der WM-Triumph von Abu Dhabi den Kölnern die beste Zuschauerzahl seit Schumachers letzter kompletter Saison vor vier Jahren. Als Vettel im Angesicht der schwarz-weiß karierten Flagge am Sonntag um 15.43 Uhr über die Ziellinie raste, schauten 12,21 Millionen zu, ein Marktanteil von 57 Prozent. "Die Autonation Deutschland hat einen neuen Helden", jubelte RTL-Sportchef Manfred Loppe. Von Schumachers absolutem Rekord (15,4 Millionen) liegen die Zahlen noch weit entfernt. Trotzdem bestätigen eine Million Zuschauer mehr pro Rennen einen Aufwärtstrend, der allerdings auch Schumachers Comeback geschuldet ist.

In der neuen Saison soll alles noch besser werden. "Wir sind überzeugt, dass Mercedes seinen Fahrern Nico Rosberg und Michael Schumacher für 2011 ein weitaus wettbewerbsfähigeres Auto hinstellt", sagt RTL-Sportsprecher Matthias Bolhöfer. Ein mögliches Duell Vettel gegen Schumacher elektrisiert - nur den Pay-TV-Sender Sky dann möglicherweise nicht mehr. Der Formel-1-Vertrag ist mit dem Rennen in Abu Dhabi ausgelaufen. "Natürlich freuen wir uns, Vettels Sieg bringt Aufmerksamkeit", sagt Sky-Kommunikationschef Armin Sieber. "Aber unsere Verhandlungen hängen nicht an der tagesaktuellen Konjunktur." Derzeit scheint das Aus wahrscheinlich.

Schumachers langjähriger Manager Willi Weber sieht Vettels Marktwert um "ein Zehnfaches gestiegen". Doch er bezweifelt, dass der neue Weltmeister seinen Titel schnell versilbern kann. "Ich habe das Gefühl, Michael und ich hatten die beste Zeit in der Formel 1."

Marketing-Experte Udo Kürbs, Chef des Branchendienstes "Sponsor News", sagt: "Für Red Bull ist Vettels Titel ein Riesengewinn. Er spricht genau die Wollmützen-Jungs an, für die Red Bull seine Kampagnen macht. Aber um ein zweiter Schumacher zu werden, müsste man aus dem Super-Rennfahrer auch einen Super-Typen machen. Dazu ist er noch zu sehr der liebe Lausbub von Nebenan. Ein internationaler Hero muss Ecken und Kanten haben."

Die Zeiten haben sich geändert. "Edle Sponsoren, die Schumacher hatte, wird Vettel nicht bekommen. Die tolle Sponsoren-Zeit gibt es nicht mehr."

Und damit auch keinen zweiten deutschen Grand Prix. Trotz Vettels Erfolgen kämpfen Hockenheim und der Nürburgring weiter um ihre Existenz.