Heute will die deutsche Alpin-Hoffnung in der Super-Kombination trotz ihres Trainingssturzes eine Medaille. Martina Ertl-Renz traut ihr diesen Erfolg zu.

Val d'Isère. Den letzten Titel für Deutschland bei alpinen Skiweltmeisterschaften in einer Einzeldisziplin gewann 2001 Martina Ertl-Renz. 2006 bestritt die heute 35-Jährige ihr letztes Weltcuprennen, heute arbeitet die Mutter einer anderthalbjährigen Tochter unter anderem als Fernsehexpertin. In Val d'Isère war Ertl-Renz am Mittwoch eine der Ersten, die ihre Nachfolgerin Maria Riesch (24) nach deren schwerem Sturz im Training tröstete.


Frage:

Bundestrainer Mathias Berthold sagte nach Maria Rieschs Unfall: "Ein Champion geht durch so was durch." Das klingt hart - oder hat er recht, Frau Ertl-Renz?

Martina Ertl-Renz:

Ich meine ja. Natürlich muss man Maria ein bisschen Zeit geben zum Verarbeiten. Aber sie hat keine schwere Verletzung davongetragen. Dann ist es okay, dass sie sich durchbeißen soll, zumal sie einiges noch erreichen will. Trotz des Sturzes ist alles möglich in der Superkombination am Freitag.



Frage:

Wie haben Sie selbst schwere Stürze verarbeitet?

Ertl-Renz:

Im Grunde ist es immer das Beste, dass man gleich wieder auf die Strecke geht und sie fährt, sofern man in der Lage ist.



Frage:

Wäre für die deutsche Mannschaft eine Medaille nun mehr denn je ein Erfolg?

Ertl-Renz:

Eine Medaille ist okay und das Minimum - es dürften aber auch mehr sein. Einmal Edelmetall wird allein von Maria Riesch erwartet. Sie hat durch den Sturz nicht die ideale Vorbereitung. Aber das sollte sie nicht von ihrem Ziel abbringen. Maria ist eine Gute, sie hat das Zeug dazu, Weltmeisterin zu werden.



Frage:

Sie haben in Ihrer aktiven Zeit bis auf die Abfahrt in allen Disziplinen Weltcuprennen gewonnen. Bemerken Sie heute einen Trend zur Spezialisierung?

Ertl-Renz:

Es ist schwierig, überall sehr gut zu fahren. Aber bei den Frauen gibt es immer eine gute Handvoll hervorragende Allrounderinnen: Anja Pärson zum Beispiel, Lindsey Vonn, Nicole Hosp oder Maria Riesch. Es ist eine tolle Leistung, in der Abfahrt und im Slalom auf dem Podest zu stehen. Früher sind viele Slalomfahrerinnen die Abfahrt nicht gefahren, weil sie sich nicht getraut haben, gehemmt waren.



Frage:

Gehemmt scheint auch Riesch, wenn in den Speeddisziplinen die Sicht schlecht und die Strecke tückisch ist, so wie im Super-G, als sie Achte wurde. Und jetzt noch der Sturz. Hängen ihr noch die zwei schweren Knieverletzungen von 2005 nach?

Ertl-Renz:

Nicht unbedingt. Ich mochte flaches Licht auch nie gerne. Unter solchen Bedingungen fühlt man sich nicht sicher, weiß nicht, was auf einen zukommt, sieht Unebenheiten nicht - das läuft im Unterbewusstsein ab. Maria lag die Super-G-Strecke in Val d'Isère nicht, sie mag es eher, wenn die Kurven lang gezogen sind und sie ihr Skifahrgefühl ausspielen kann. Insofern war Platz acht in Ordnung.



Frage:

Riesch - ein Glücksfall für den Deutschen Skiverband?

Ertl-Renz:

In der jetzigen Zeit ja. Früher hatten wir mit Hilde Gerg, Katja Seizinger und mir Jahre, wo drei Frauen vorne mitgefahren sind. Jetzt ist es für den Verband unglaublich wichtig, so eine Führungspersönlichkeit und eine so vielseitige Skiläuferin zu haben. Maria bringt die Ergebnisse, sie reißt alles raus.



Frage:

Ist das Nationalteam dahinter ausreichend bestückt?

Ertl-Renz:

Felix Neureuther hat die Fähigkeiten, im Slalom aufs Podest zu fahren, auch wenn er es heuer noch nicht so gezeigt hat. Und Kathrin Hölzl (Riesenslalom-Spezialistin, d. Red. ) ist eine gute Skifahrerin. Aber beide sind eben nur in einer Disziplin ganz vorne dabei. Für den Verband ist es deshalb wichtig, dass er alles für Maria tut, damit sie stark im Kopf bleibt. Sie hat das Recht, eine Sonderstellung zu haben. Wenn sie spezielle Wünsche in der Saisonvorbereitung hätte, sollte man ihr sie erfüllen.



Frage:

Privilegien können aber auch Neid hervorrufen.

Ertl-Renz:

Bislang ist Maria voll in die Mannschaft integriert und äußert keine Sonderwünsche. Sollte sie es aber mal tun, darf es keinen Neid geben. Wer bringt denn die Leistung, wer stellt den Verband gut hin, wer sorgt durch gute Leistungen für Stimmung - und wer muss den ganzen Druck aushalten? Maria Riesch! Sie ist die Nummer eins.



Frage:

Am Sonnabend findet die WM-Abfahrt der Männer statt. Wie wichtig wäre für die Außenwirkung nach langer Zeit ein deutscher Spitzenfahrer?

Ertl-Renz:

Ziemlich wichtig. Gerade bei Klassikern wie Kitzbühel oder Wengen, jeder möchte doch Spektakel sehen. Wir haben aber auch Pech gehabt, dass sich einige Aussichtsreiche früh verletzt haben. Florian Eckert zum Beispiel, der 2001 eine WM-Medaille gewonnen hat. Das wäre ein cooler Typ, ein wilder Hund gewesen. Jetzt haben wir immerhin drei Fahrer, die unter die ersten 30 kommen können. Es wäre schön, wenn sie bei der WM ein kleines Zeichen setzen könnten.