Der Bund der Steuerzahler prangert Fehler der Stadt Pinneberg bei der Eintreibung von offenen Forderungen in Höhe von 16.000 Euro an.

Pinneberg. Auf diese Ehre hätte Kristin Alheit sicher gerne verzichtet: Die sogenannte Pinneberger Finanzaffäre wegen mutmaßlich mehr als 16 000 offener Forderungen beziehungsweise nicht bereinigter Rechnungen hat es in das berühmt-berüchtigte Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler geschafft. Der spontane Kommentar der Verwaltungschefin zur Veröffentlichung innerhalb von "elf Beispielen für Verschwendung in Schleswig-Holstein" fiel denn auch nicht druckreif aus. "In der Stadt Pinneberg gab es jahrelang kein ordentliches Mahnverfahren für öffentliche Forderungen, obgleich Prüfer schon vor langer Zeit auf diesen Mangel hingewiesen hatten", prangert Hartmut Borchert, Präsident des Bundes der Steuerzahler Schleswig-Holsteins, an. Das Schwarzbuch 2011 stuft den Pinneberger Fall unter "Skurriles" ein und nennt ein "Gesamtvolumen von wohl über sechs Millionen Euro", auf die sich die offenen Forderungen anhäuften.

Der Bund der Steuerzahler spricht von "massiven Organisationsdefiziten in der Verwaltung". Die Stadt habe "fleißig Gebührenbescheide und Rechnungen geschrieben, aber über Jahre nicht ordentlich geprüft, ob das Geld auch wirklich eingeht." Wie es im aktuellen Schwarzbuch weiter heißt, seien viele der Schuldner nicht mehr erreichbar beziehungsweise inzwischen zahlungsunfähig.

Die Bürgermeisterin korrigierte in einer Presseinfo von Donnerstag die genannte Zahl der Forderungen. Die Stadt habe nicht etwa mehr als 16 000, sondern annähernd 3000 Schuldner, auf die diese verschiedenen Posten und vor allem Zahlungstermine entfallen. "Aber wir kehren nichts unter den Teppich", betonte Kristin Alheit. Ziel sei der Aufbau eines professionellen Forderungsmanagements. Wie es weiter in der Presseinfo der Stadt heißt, "kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass der 2004 beschlossene Zeitplan zur Umstellung des städtischen Haushalts von der Kameralistik auf die Doppik im Bereich der Forderungen ohne zusätzliches Personal wohl zu ehrgeizig gewesen ist". Bei der Summe von sechs Millionen Euro handele es sich vielfach um Beträge, die als Altlasten im Forderungsbestand "bedauerlicherweise nicht bereits vor Jahren in der Buchhaltung bereinigt wurden". Kristin Alheit bemängelte, dass der Bund der Steuerzahler keinen Kontakt zur Pinneberger Verwaltung aufgenommen habe. Die Verwaltungschefin: "Ich bedauere jeden Euro, der durch diese Vorgänge gegebenenfalls verloren gegangen ist." Aber wie viel Geld ist nun für die Stadt verloren, wie viel davon sogar schuldhaft? Aufgearbeitet wird der Gesamtkomplex der offenen Forderungen seit Monaten von einer Arbeitsgruppe um Thomas Backhaus.

Die Gruppe soll voraussichtlich bis November einen Bericht erarbeiten, der dann auch dem Landesrechnungshof vorgelegt wird. Backhaus hatte bis dato keinen Zahlen nennen wollen. Am Donnerstag sagte er im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt: "Es ist im Prinzip erst einmal richtig, dass die sechs Millionen Euro der Stadt bislang als Einnahme fehlen." Die echten "Schadensfälle", die der Finanzexperte "hochgradig ärgerlich" nennt, seien jene, bei denen die Stadt Verjährungsfristen habe verstreichen lassen. Zum jetzigen Stand der Prüfungen belaufen sich diese Fälle auf ein Volumen von einigen Tausend Euro.

Der Leiter der Projekte betonte seinerseits, "dass nicht der Eindruck entstehen darf, dass wir etwas verwurschteln wollen". Es gebe Beispiele, dass sicherlich bei einem Teil der Forderungen von einer "nicht ganz konsequenten Anwendung" von Möglichkeiten zum Eintreiben des Geldes auszugehen sei. Als Beispiel nannte Backhaus eine Summe von 480 000 Euro aus dem Bereich der Forderungen an Steuern und Gebühren (gesamt rund 1,2 Millionen Euro), die als "kritisch" anzusehen sei.

Es handele sich vor allem um Fälle von Insolvenzen von Firmen, die der Stadt Gewerbesteuer schuldeten. Hier müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Verwaltung rechtzeitig vor dem Insolvenzverfahren reagiert habe. Die Wahrscheinlichkeit, diese Gelder noch zu bekommen, nannte Projektgruppenleiter Backhaus "sehr gering": "Als Kommune müssen wir uns im Insolvenzverfahren hinten anstellen. Dass ist aber ein normaler Vorgang, dass ein 'Kunde' pleite geht."

Wie groß die wirklichen Verluste im Bereich der vornehmlich privaten Forderungen (Gesamtsumme rund vier Millionen Euro) ist, kann Backhaus nach eigenen Worten bisher nicht abschätzen.