Der Bund der Steuerzahler kritisiert den Abriss der Häuser am Friedrichsgaber Weg als Steuerverschwendung. “Politisches Tollhaus“.

Norderstedt. Baggerfahrer Andreas Stöver von der Abbruchfirma Herman Mock aus Hamburg sagt, dass er nur zwei Tage braucht, um ein Haus platt zu machen. Für die drei Häuser an der Kreuzung des Friedrichsgaber Weges mit der Stettiner Straße wird Stöver also spätestens in der nächsten Woche fertig sein. Die Überreste werden noch feinsäuberlich nach Baustoffen getrennt entsorgt. Und dann ist sie fertig: Die teuerste Wiese der Stadt Norderstedt. 850 000 Euro, plus Abbruchkosten. Ein ungeheurer Fall von Steuerverschwendung.

Der Streit tobt immer noch in der Kommunalpolitik. Die SPD verweist auf die Beschlusslage und sagt, die Häuser wurden gekauft, um die Kreuzung zur Stettiner Straße als Ampelkreuzung auszubauen und die Häuser für die Unterbringung von sozialen Einrichtungen zu nutzen. Die FDP machte sich zum Anwalt der Anwohner, die weder Ampel noch soziale Nutzung vor ihrer Haustür dulden wollten und forderte den Abriss der Häuser und den Bau eines Kreisverkehrs. Mitten im Streit änderte eine Überläuferin der SPD die Machtverhältnisse in der Stadtvertretung, von SPD-GALiN-Linke auf CDU-FDP. Den Bau der Ampelkreuzung konnte all das nicht mehr aufhalten. Am Ende blieb FDP und CDU nur noch die Forderung nach dem Abriss der Häuser. Das Ergebnis der politischen Auseinandersetzung ist eine Wiese mit frisch gelegtem Trottoir und einer Fußgängerampel davor.

"Das ist ein Stück aus dem politischen Tollhaus", sagt Rainer Kersten, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Schleswig-Holstein, als er von der Norderstedter Zeitung am Mittwoch mit den Fakten konfrontiert wird. Vor dem Hintergrund der in Norderstedt angespannten Haushaltssituation sei eine derartige Verschwendung von Steuergeld umso prekärer, sagt Kersten. "Es sind genau diese Beispiele der politischen Wankelmütigkeit, die in der Hauptsache zu eklatanten Fällen der Verschwendung öffentlicher Gelder führen", so Kersten weiter. Aufgrund von parteipolitischen Befindlichkeiten oder des Kalküls, die Parteiklientel bedienen zu wollen, würden Entscheidungen zu Ungunsten der Allgemeinheit gefällt. "Wir werden uns mit diesem Fall intensiv beschäftigen und die Stadt Norderstedt um Aufklärung bitten", kündigt Kersten an.

Jürgen Lange von der SPD sagt, seine Fraktion hätte einem Kauf der Häuser für 850 000 Euro nie zugestimmt, wenn sie nur für den Abriss bestimmt gewesen wären. "Für einen Randstreifen Wiese am Friedrichsgaber Weg hat die Stadt jetzt 5300 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Das ist unverantwortliches Handeln von FDP und CDU", sagt Jürgen Lange.

Anette Reinders, die heutige Sozialdezernentin der Stadt Norderstedt, hatte in der Stadtvertretersitzung im März noch als Fraktionschefin der GALiN ausgesprochen, was viele Kritiker von der Sache halten: Die FDP hat sich von den Anwohnern am Friedrichsgaber Weg vor den Karren spannen lassen und für die Wahrung von Partikularinteressen eine für die Stadt teure Fehlentscheidung getroffen.

FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder zeigt zwar Ansätze der Selbstkritik, wenn er davon spricht, dass die Sache sicher "keine Sternstunde der Norderstedter Kommunalpolitik" sei. Aber er verteidigt den Abriss der Häuser quasi als einen Akt der vorausschauenden Haushaltsdisziplin. "Denn wenn hier wirklich soziale Einrichtungen eingezogen wären, hätte sich der Steuerzahler auf erhebliche Kosten gefasst machen müssen", sagt Schroeder. Die Häuser seien nach seiner Auffassung nicht nur marode in der Struktur, sondern auch durch die für den Bau der Ampel erfolgte leichte Verschwenkung des Friedrichsgaber Weges auf die Grundstücke unter Lärmgesichtspunkten unbewohnbar. "Wenn ein sozialer Träger hier saniert und die Häuser zusätzlich gegen Lärm isoliert hätte, wären die hohen Kosten dafür der Allgemeinheit angelastet worden. Dann hätte Frau Reinders als Sozialdezernentin sie auf den Tisch bekommen. Dann müsste der Bund der Steuerzahler auch genau hinschauen", sagt Schroeder.

Das dies eine sehr konstruierte Argumentation ist und nur den Umstand vernebeln soll, dass die FDP Klientelpolitik betrieben habe, weist Schroeder von sich. "Aber ich mache keinen Hehl daraus, dass wir immer gegen eine soziale Nutzung der Häuser an dieser Stelle waren. Und dafür haben wir eben unsere Mehrheit genutzt. So ist Politik nun mal."