Norderstedts Steuerverschwendung am Friedrichsgaber Weg erhält neben einem zweifelhaften Ruhm auch einen Eintrag ins Schwarzbuch.

Norderstedt. Das sei ja ein "Stück aus dem politischen Tollhaus", sagte Rainer Kersten, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Schleswig-Holstein, als ihn die Norderstedter Regionalausgabe des Hamburger Abendblattes im März auf die wohl bis dato unrühmlichste Episode Norderstedter Kommunalpolitik hinwies und so den Fall der massiven Steuergeld-Verschwendung um die drei Häuser am Friedrichsgaber Weg landesweit zum Thema machte.

Kersten kündigte an, dass sich der Bund der Steuerzahler intensiv um das Thema kümmern würde. Er hat Wort gehalten: Im am Donnerstag erschienenen Schwarzbuch 2011 des Bundes der Steuerzahler findet sich der Norderstedter Fall in der Rubrik "Ungenutztes kostet Geld" mit dem Titel "Grundstückskauf, Planungsänderung, Abriss" wieder. Als einer von elf angeprangerten Fällen der öffentlichen Verschwendung 2011 in Schleswig-Holstein und von 100 exemplarischen Fällen aus ganz Deutschland.

Nachdem das Abendblatt intensiv über den Fall berichtet hatte, griffen weitere Medien die Geschichte auf. Unter anderem machte der Länderspiegel des ZDF "eine der teuersten Wiesen der Republik" in der Rubrik "Hammer der Woche" zur bundesweiten Lachnummer.

900 000 Euro verschleudert und die Steuern kräftig erhöht

Doch angesichts von 60 Millionen Euro Schulden in Norderstedt, einer gerade um 30 auf 420 Punkte erhöhten Gewerbesteuer und einer um satte 150 auf 410 Punkte angehobenen Grundsteuer B, dürfte die Verschwendung von knapp 900 000 Euro für den Kauf der Grundstücke und den sinnlosen Abriss der drei Häuser eigentlich niemanden zum Lachen bringen. Für Hartmut Borchert, der Präsidenten des Bundes der Steuerzahler in Schleswig-Holstein, ist das Verschwendung mit Ansage: "Und die ist für den Steuerzahler besonders ärgerlich.

Die Stadt habe zunächst die Grundstücke gekauft und dann die Planung für die Verkehrsreglung auf der Kreuzung des Friedrichsgaber Wegs mit der Stettiner Straße gemacht. "Und das wird für die Steuerzahler meist teuer", bilanziert der Steuerzahlerbund. In Norderstedt kam das so: Der Eigentümer des Grundstücks wollte laut Stadtverwaltung keine Teilflächen verkaufen. Deswegen nahm die Stadt ihm gleich das ganze Grundstück samt der drei Häuser für 850 000 Euro ab. Der Plan: Einen Teil des Grundstücks für den Umbau der Kreuzung und die Häuser für Krisenbetten für obdachlose Jugendliche, das Soziale Zentrum oder andere gemeinnützige Zwecke nutzen.

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Doch die Rechnung hatte die Verwaltung ohne die Politik gemacht, von deren Beschlüssen sie in ihrem Handeln aber abhängig ist. Es begann ein munteres politisches Balgen um die richtigen Antworten auf die Frage, wie die Kreuzung denn nun am besten gestaltet werden könnte. Ampel oder Kreisel? Anwohner der Kreuzung setzen sich vehement für die Kreisellösung ein. Es gelingt ihnen nur ungenügend, den Eindruck zu zerstreuen, dass die Liebe zum Kreisverkehr eher dem Nebeneffekt der Kreiselplanung geschuldet ist. Ein Kreisel würde Problemjugendliche oder ein linksautonomes Kulturzentrum vor der Tür verhindern. Die FDP-Fraktion machte sich zum Anwalt der Anwohner und forderte den Abriss der Häuser und den Bau eines Kreisverkehrs. Mitten im Streit änderte eine Überläuferin der SPD die Machtverhältnisse in der Stadtvertretung, von SPD-GALiN-Linke auf CDU-FDP. Den Bau der Ampelkreuzung konnte all das nicht mehr aufhalten. Am Ende blieb FDP und CDU nur noch die Forderung nach dem Abriss der Häuser. Argumentiert wurde in die Richtung, dass die Nutzung der Häuser weitaus mehr Folgekosten in Sanierung und Unterhalt für die Stadt bedeuten würden als der Abriss. Für 32 000 Euro machten zwei Mitarbeiter und ein Bagger einer Baufirma die Häuser Ende März innerhalb von nur zwei Tagen platt.

Ein echter Hingucker ist das geschwungene Gartentor

Das Ergebnis der politischen Auseinandersetzung ist also eine Wiese mit frisch gelegtem Trottoir und einer Fußgängerampel, die den Fußgänger ins Nichts führen. Über das Gelände ist im Gegenteil zu der Aufregung über die Steuerverschwendung mittlerweile Gras gewachsen. Die "teuerste Wiese der Republik" verzückte im Sommer mit einer langstieligen gelben Blütenpracht und hübschen Landesgartenschau-Fahnenmasten. Ein echter Hingucker ist auch das geschwungene Gartentor zur ehemaligen Auffahrt eines der Häuser. Leser des Abendblattes riefen schon in der Redaktion an und fragten, ob man das schmucke Teil nicht einfach abbauen und mitnehmen dürfe - brauche doch keiner an der Stelle, so deren Argument.

Bebaut werden darf das Grundstück nach geltendem Bebauungsplan nicht. Es liegt im Außenbereich. SPD-Fraktionschef Jürgen Lange hat mal vorgerechnet, dass die Wiese den Steuerzahler mit 5300 Euro pro Quadratmeter Fläche teuer zu stehen kommt.

Das komplette Schwarzbuch 2011 gibt es unter schwarzbuch.steuerzahler.de