Laut Zeugin soll Bischöfin Jepsen schon 1999 von Missbrauchsfällen in der Ahrensburger Kirchengemeinde gewusst haben.

Hamburg. Was wusste Bischöfin Maria Jepsen wirklich im Jahr 1999 von den Missbrauchsfällen in der Ahrensburger Kirchengemeinde, die sich Ende der 70er- bis Mitte der 80er-Jahre ereignet hatten?

Neue Vorwürfe lasten auf der Bischöfin, mehr über die Taten des unter Missbrauchsverdacht stehenden Pastors Dieter K. gewusst zu haben, als sie bislang einräumt. Ihr widerspricht jetzt eine Zeugin, die sich 1999 an die Bischöfin gewandt und sie auf Pastor Dieter K. hingewiesen habe. "Ich sagte zu ihr sinngemäß: Pastor Dieter K. ist derjenige, der in Ahrensburg Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht hat", so die heute 42-Jährige. Jepsen habe bejahende Worte gesagt. Abendblatt und "Spiegel" liegen eidesstattliche Versicherungen der Zeugin vor.

Im Abendblatt-Interview am Mittwoch hatte Maria Jepsen "kaum eine Erinnerung" an die Begegnung mit der Frau. Aber eine Protokollnotiz lasse vermuten, dass sie etwas gesagt habe wie "Die Geschichte mit den Frauen und Pastor Dieter K. ist noch nicht vorbei", sagte Jepsen im Interview. Die Bischöfin habe daraufhin bei Beamten des Personaldezernats nachgefragt, ob Pastor Dieter K. intime Verhältnisse mit jungen Frauen hatte. Diese hätten das verneint, so Jepsen weiter.

Die Frau sprach die Bischöfin am Rand des Kongresses "Bei aller Liebe - Gewalt im Geschlechterverhältnis" im Oktober 1999 in Lübeck an. Sie ist die Schwester jenes Opfers, das erstmals im August 1999 die damalige Stormarner Pröpstin Heide Emse informierte, von Pastor Dieter K. über Jahre sexuell missbraucht worden zu sein.

Das Opfer, eine heute 46-jährige Frau, sei von 1979 bis 1984 regelmäßig sexuellen Übergriffen durch Pastor Dieter K. ausgesetzt gewesen. Sie sei auch vor ihrem 16. Lebensjahr sexuell durch Worte und Taten von dem Geistlichen belästigt worden. Nach Aussagen des Opfers hatte es die Pröpstin auch über den Missbrauch anderer Jugendlicher informiert. Pröpstin Heide Emse habe das Opfer gebeten, die Vorwürfe in einem Sechs-Augen-Gespräch gegenüber Pastor Dieter K. zu wiederholen. Dieser habe alles eingeräumt, so das Opfer.

Emse sorgte für die Versetzung des Geistlichen zu einer übergemeindlichen Projektstelle im Oktober 1999. Sie erstattete weder eine Strafanzeige noch leitete das Kirchenamt ein Disziplinarverfahren gegen Pastor Dieter K. ein.

Bischöfin Maria Jepsen sagte im Abendblatt-Interview, sie habe im Herbst 1999 während eines Konvents von der Pröpstin nur von einem "außerehelichen Verhältnis" des Pastors erfahren, das inzwischen beendet gewesen und Anlass für seine Versetzung sei. Wäre vom Missbrauch Minderjähriger die Rede gewesen, wären bei ihr "die Alarmglocken losgegangen". Die Bischöfin wollte sich gestern auf Anfrage zu den neuen Vorwürfen nicht äußern.

Erst als sich jene Frau, die sich 1999 Pröpstin Heide Emse anvertraute, im März dieses Jahres mit einem Brief an die Bischöfin wendet, nimmt die Nordelbische Kirche Ermittlungen auf. Weitere Zeugenaussagen gegenüber dem Landeskirchenamt bestätigen die Missbrauchsvorwürfe. Im Mai informiert die Nordelbische Kirche die Öffentlichkeit. Mittlerweile ist gegen einen zweiten Ahrensburger Geistlichen im Ruhestand, Pastor Friedrich H., ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Ihm werden sexuelle Übergriffe gegen ein 17- und ein 18-jähriges Mädchen Anfang der 80er-Jahre vorgeworfen.

Bischof Gerhard Ulrich sagte gestern zu der Kritik an der mangelnden Aufklärung der Nordelbischen Kirche im Jahr 1999, es sei Hinweisen von Opfern nicht mit dem nötigen Nachdruck nachgegangen worden. "Bis Ende Juli wird dazu ein erster Zwischenbericht vorliegen." Die eidesstattliche Erklärung der Zeugin von 1999 ändere nichts an den bisherigen Erkenntnissen und an den Aussagen von Bischöfin Maria Jepsen. Ulrich: "Sie hat niemals in Abrede gestellt, dass es die darin geschilderte flüchtige Begegnung gegeben haben könnte, sondern lediglich gesagt, sie könne sich nicht daran erinnern." Das zeige, wie wichtig es sei, sexuellen Missbrauch in klarer Form bei den zuständigen Stellen anzuzeigen, sagte Ulrich. Es sei nicht hinzunehmen, dass die damals handelnden Amtsträgerinnen öffentlich vorverurteilt werden.