Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirchengemeinde Ahrensburg ziehen weitere Kreise. Maria Jepsen soll informiert gewesen sein.

Ahrensburg. Welches Ausmaß haben die Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirchengemeinde Ahrensburg wirklich? Seit Bekanntwerden der Vorwürfe im Mai dieses Jahres kommen immer mehr Details ans Licht. Der mittlerweile im Ruhestand befindliche Geistliche Dieter K . soll mehrere Jugendliche von Ende der 70er- bis in die erste Hälfte der 80er-Jahre sexuell missbraucht haben.

Im März dieses Jahres hatte sich eine Frau in einem Brief an Bischöfin Maria Jepsen gewandt. Sie sei von 1979 bis 1984 von dem Pastor sexuell missbraucht worden. Im Abendblatt-Interview sagte Jepsen, durch den Brief habe sie zum ersten Mal von den Vorwürfen erfahren. "Ich habe, nachdem ich nun von dem Ahrensburger Fall gehört habe, manche Nacht nicht schlafen können. Ich erwarte bei so einer Sache, dass diejenigen in der Kirche, die davon erfahren, das sehr deutlich an mich melden."

Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner heutigen Ausgabe berichtet, soll dies bereits 1999 geschehen sein.

Damals habe sich eben jene Frau, die elf Jahre später den Stein ins Rollen brachte, an die damalige Pröpstin Heide Emse gewandt. Emse informierte daraufhin laut "Spiegel" die Bischöfin: "Ich habe mit ihr gesprochen, in der Pause eines Konvents. Ich habe gesagt, dass es Anschuldigungen gegen Pastor K. gibt. Es gebe diese Geschichte von der Frau, und es gebe andere Dinge."

Für Heide Emse waren die Vorwürfe Anlass, für die Versetzung von Pastor Dieter K. zu sorgen. Mehr nicht. Ende 1999 verließ er die Ahrensburger Kirchengemeinde. In Neumünster sollte er ein Konzept für die Gefängnisseelsorge erstellen, angeblich ein reiner Schreibtischjob.

Nach neuesten Erkenntnissen war der Pastor aber offenbar auch seelsorgerisch in der Jugendanstalt Schleswig tätig. Wären der Gefängnisleitung die Vorwürfe bekannt gewesen, hätte er wohl kaum Kontakt zu den jugendlichen Insassen pflegen dürfen. Auch am Ahrensburger Gymnasium Stormarnschule war Pastor Dieter K. noch bis 2003 als Religionslehrer tätig.

Was wird dem Kirchenmann angelastet? Sein Stiefsohn sagt, er und zwei seiner Brüder seien jahrelang Opfer von Dieter K. gewesen. Bereits 1982 sei er als 14-Jähriger auf einer Jugendfreizeit im Elsass von dem Mann missbraucht worden. "Er hat mich aus meinem Schlafsack rausgezerrt und angefasst." Es gebe weitere Opfer, sagt der Mann, der seine Aussagen gegenüber dem Abendblatt mit einer eidesstattlichen Versicherung untermauerte.

+++ KRITIKPREIS "VERSCHLOSSENE AUSTER" FÜR KATHOLISCHE AUSTER +++

"Ich habe erlebt, wie er Schüler der Stormarnschule mit ins Pastorat gebracht hat, um sogenannte Seminare abzuhalten. Da wurde immer viel Alkohol konsumiert, und ich habe mehrfach gesehen, wie er mit Schülern und Schülerinnen rumgeknutscht und an ihnen herumgefummelt hat." Darüber reden konnte er erst Jahre später in einer Therapie. "Damals fühlte ich Scham und Verzweiflung. Und es fehlte mir der Mut. Dieser Kirchenmann wird ja in der Gemeinde geschätzt."

Vielleicht ein Grund, warum die Übergriffe über Jahrzehnte unbeachtet blieben. Dass damals nicht konsequenter gehandelt wurde, sei "bedauerlich", sagt Bischof Gerhard Ulrich, Vorsitzender der Nordelbischen Kirchenleitung. "Es steht außer Zweifel, dass damals Fehler gemacht wurden." Die Kirchenleitung stelle sich ausdrücklich an die Seite von Bischöfin Maria Jepsen. Für Personal- und Disziplinarfragen der Pastoren seien die Pröpste und das Kirchenamt verantwortlich, so Ulrich. "Nun muss geprüft werden, an welcher Stelle 1999 Hinweisen nicht entschieden genug nachgegangen wurde."

Anfang Juni dieses Jahres hat der Stiefsohn von Dieter K. mit weiteren Betroffenen und engagierten Bürgern den Verein "Missbrauch in Ahrensburg" gegründet, um die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Der Verein bat dafür auch die Synode um Hilfe. Am Wochenende wandte sich der Vereinsvorstand mit einem Brief an Bischöfin Maria Jepsen und den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider. Sie fordern Aufklärung, Gerechtigkeit für die Missbrauchsopfer, Konsequenzen für Täter und "Vertuscher" sowie bessere Prävention. Bisher sind von der Staatsanwaltschaft Lübeck drei Fälle geprüft und als verjährt eingestuft worden. Dem Nordelbischen Kirchenamt sind sieben Fälle bekannt, die untersucht werden.