Feierlicher Empfang für 1800 Studierende an der Leuphana Universität Lüneburg. SPD-Chef Sigmar Gabriel trat als Gastredner auf.

Lüneburg. Anlässlich eines feierlichen Studienauftakts füllten neben annähernd 1800 Erstsemestern auch neugierige Studierende höherer Semester, Ehrengäste, Professoren und Mitarbeitern der Universität ein wetter- und windfestes Zelt - errichtet vor der Mensa der Lüneburger Universität. Nicht minder gefüllt wird ein Zelt während des Münchner Oktoberfestes gewesen sein. Ähnlich ausgelassen wie auf den bayerischen Wiesen zeigte sich das Publikum, sobald die BigBand der Musikschule Lüneburg unter Leitung von Alexander Eissele sich ins Zeug legte.

Ebenfalls amüsierte mancher Redner die jungen Erstsemester. Es war der Parteichef der SPD, Sigmar Gabriel, der temperamentvoll und rhetorisch eloquent die Studierenden zu packten wusste. Ähnlich wie auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Dresden, wo Sigmar Gabriel die Genossen raus ins echte Leben schickte mit den folgenden Worten: "Wir müssen dahin, wo's anstrengend ist, wo es brodelt, denn nur da ist das Leben."

Er forderte die Studierenden auf, den Austausch mit anderen nicht zu verlernen und die Welt im Blick zu behalten. Er sprach weniger die Kunst als vielmehr die Pflicht des lebenslangen Lernens an. "Ich kenne Leute, wenn ich denen sage, sie müssten lebenslang lernen, dann schauen die mich mit großen Augen an." Gabriel zweifelt, ob das Lernen in bundesdeutschen Schulen richtig gelehrt und gelernt werde. "Das Lernen mit Freude hat nicht immer einen Platz an unseren Schulen", so der Politiker.

Die Leuphana Universität allerdings, die fand der nach Willy Brandt jüngste SPD-Vorsitzende schon immer interessant. "Die Leuphana schwimmt häufig gegen den Strom", lobte er die Uni.

Einschließlich der Tatsache, dass in Lüneburg von den Studierenden keine frühzeitige Spezialisierung erwartet werde. "Sie werden hier nicht in Fächer, sondern in eine Haltung für die Wissenschaft eingeführt. Sie sollen sich für alles interessieren, was in der Wissenschaft los ist." Ähnliche sei es in der Politik: "Man ist der Beste, wenn man ein Universal-Dilettant ist." Darüber hinaus gehöre niemand in die Politik, der nicht neugierig sei.

Ohne diese Neugierde werden die Erstsemester in der kommenden Woche wohl kaum das ihnen übertragene außergewöhnliche Planspiel bewältigen können. Zum Auftakt des Studium sollen sie ein finanzierbares und gerechtes Gesundheitssystem entwickeln. Gabriels Prognose: "Sie werden eintauchen in den tiefsten Dschungel. Ihre Aufgabe ist es, einen Weg zu finden, dieses Ungetüm zu reformieren."

Zu teuer, zu schlecht, nicht zukunftsfähig - die Kritik am deutschen Gesundheitssystem ist vielfältig und Lösungsvorschläge zeichnen sich nicht ab. Ob 1800 Studierende aller Fachrichtungen einen Weg aus der Misere finden, wird sich zeigen.

Unterstützt werden sie dabei von fast 100 Vorständen und Führungskräften aus der Gesundheitsbranche sowie von Gesundheitsexperten aus Wissenschaft, Politik und Verbänden.

Ziel der Veranstaltung ist es, ein funktionsfähiges neues Modell der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu erarbeiten. Die Universität verspricht sich von den Vorschlägen der Studienanfänger überraschende Ansätze für eine grundlegende Reform. Am Freitag, 14. Oktober, werden die Ergebnisse einer prominenten Jury präsentiert; darunter Peter Clever, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ursula Engelen-Kefer, einstige stellvertretende Vorsitzendes des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit.

Tipps für das Planspiel und die folgenden Semester gab Leuphana-Präsident Sascha Spoon den Erstsemestern an die Hand. Er appellierte an die Offenheit der Neuen: "Brechen sie geschlossene System auf." Es sei an der Tagesordnung, dass eben noch als genial empfundene Ideen beim Versuch, sie zu formulieren oder schriftlich zu fixieren, verloren gingen und ihren Reiz verlören. Das sei völlig normal an der Uni, so Spoon.

"Schauen sie nach rechts und links. Fragen sie Kommilitonen. Wenn sie aktiv in den Austausch gehen, dann kann das geschehen, was man das Glück der Studierenden nennt", so Spoon. Das Glück sei immer im Spiel. So bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts, ein Treffen mit Menschen, die einen weiterbringen und der Gelegenheit, Glücksfragen zu stellen.

Er riet den Zuhörern, Probleme als Chance zu begreifen und nicht den Weg des geringsten Widerstands zu suchen sondern Umwege zu wagen. "Stellen sie Frage und beschreiten sie abseitige Wege. Sie haben bei uns die Chance, mehr als nur ein Fach zu studieren. Wagen sie sich auf andere Felder vor."