Auf den Malediven plant die Regierung für die Zeit, wenn die Inseln im Meer versinken.

Jetzt rasen wieder Herbststürme übers Land, peitschen das Meer auf. Noch können die Deiche der Naturgewalt trotzen. Aber die zerstörerische Kraft der Sturmfluten wird wachsen, weil der Meeresspiegel steigt. Während die Regierung der Malediven im Indischen Ozean den Kauf einer neuen Heimat plant, weil der Inselstaat im Meer zu versinken droht, sorgen sich Küstenschützer in den Anrainerstaaten der Nordsee um ihre Deiche. Als erste Bundesländer haben Bremen und Niedersachsen ihren Generalplan Küstenschutz auf den Klimawandel eingestellt, 170 Kilometer Deichlinie sollen um einen Meter erhöht werden, schreibt die "Financial Times Deutschland". 620 Millionen Euro werde dies kosten.

In den Niederlanden wurde vergangene Woche schon der Untergang geprobt, wie "Der Spiegel" berichtet. Ein Drittel des Landes sei virtuell unter Wasser gesetzt worden. 15 Millionen Euro steckten die Niederlande in die Übung. Würde das Szenario eintreten, wären mehr als elf Millionen Bewohner betroffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Katastrophe wirklich geschieht, liegt bei einmal in 4000 Jahren.

Da ist es schon wahrscheinlicher, dass die Malediven, Kiribati oder Tuvalu im Meer versinken. Bedroht sind zahlreiche kleine Inselstaaten, die sich 1990 in der Alliance of Small Island States (AOSIS) zusammengeschlossen haben. Sie repräsentieren fünf Prozent der Weltbevölkerung, stellen 20 Prozent der Mitglieder der Vereinten Nationen. "Wir können den Klimawandel nicht selbst stoppen, also müssen wir woanders Land kaufen", sagte der erste demokratisch gewählte Präsident Maledivens, Mohamed Nasheed, der britischen Zeitung "The Guardian". Für den Kauf einer Ersatzheimat soll ein Teil der Milliardeneinnahmen aus dem Tourismusgeschäft in einen Staatsfonds abgezweigt werden. Als Ziele sieht Nasheed Sri Lanka und Indien, weil dort das Klima und die Kultur ähnlich seien. Aber auch Australien komme wegen seiner dünn besiedelten Gegenden infrage. "Wir wollen die Malediven nicht verlassen, aber wollen auch keine Klimaflüchtlinge werden, die jahrzehntelang in Zelten leben müssen", sagte Nasheed. Noch hebt sich der Meeresspiegel nur um drei Zentimeter pro Jahrzehnt. Dann hätten die Malediven noch knapp 200 Jahre Zeit, um eine neue Heimat zu finden. Erst dann wären weite Teile der rund 200 bewohnten Koralleninseln überflutet.

"Die zukünftige Entwicklung hängt stark davon ab, wie schnell die grönländischen Eisschilde schmelzen. Wir haben bislang keine zuverlässigen Methoden, mit denen wir das mathematisch exakt berechnen können. Wir sind also auf Schätzungen angewiesen", sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) dem Abendblatt.

Die Schätzungen sind allerdings besorgniserregend. So kam Rahmstorf kürzlich erst in einer Studie für die Regierung der Niederlande, die er mit internationalen Experten erstellte, zu dem Schluss, dass der Meeresspiegel bis 2100 um bis zu 110 Zentimeter ansteigen kann. Das wären 50 Zentimeter mehr, als der Weltklimarat prognostiziert hat. Bis 2200 fürchten die Experten sogar, dass der Meeresspiegel um bis zu 350 Zentimeter klettern wird. Spätestens dann werden keine Deiche die Niederlande, Großbritannien, Deutschland oder Dänemark mehr schützen können, dann ist der Rückzug von der Küste in höher gelegene Landstriche die einzige Alternative - auch für Nordeuropa.

Doch so weit muss es nicht kommen. Denn die Potsdamer Forscher haben die Schätzungen angestellt vor dem Hintergrund, dass die Emission von Treibhausgasen und der Klimawandel ungebremst weitergehen.