Der Nobelpreis geht an den Pionier der künstlichen Befruchtung. Mittlerweile wurden weitere Methoden entwickelt, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Hamburg. Mit der Möglichkeit der künstlichen Befruchtung (IVF) konnte der britische Wissenschaftler Robert Edwards vielen Frauen einen Wunsch erfüllen, der für sie schon in unerreichbare Ferne gerückt war - ein eigenes Kind.

Seitdem mit Louise Brown 1978 das erste Retortenbaby zur Welt kam, sind die Methoden der künstlichen Befruchtung kontinuierlich weiterentwickelt worden. "Darauf folgte die Technik der Mikroinjektion, bei der Spermien in die Eizelle injiziert werden (ICSI). Das war ein bahnbrechender Schritt, um auch bei extrem schlechter Spermienqualität noch eine Befruchtung zu ermöglichen", sagt Dr. Olaf Georg Johannes Naether vom Fertility Center Hamburg. Er war einer der ersten Ärzte, die 1983 mit der künstlichen Befruchtung in Hamburg begonnen haben. Dann wurde es möglich, befruchtete Eizellen im sogenannten Vorkernstadium, in dem Spermium und Eizelle noch nicht zu einem Embryo verschmolzen sind, einzufrieren und wieder aufzutauen, um sie den Frauen zu einem späteren Zeitpunkt einzusetzen (Kryotransfer). Hinzu kam dann noch die Polkörperchen-Diagnostik, anhand derer die Ärzte feststellen können, ob es in der Eizelle aufgrund des Alters bereits zu Veränderungen der Chromosomen gekommen ist. "Das sind die Meilensteine der künstlichen Befruchtung", sagt Naether, der zusammen mit seinen zwei Kollegen allein im Fertility Center Hamburg 1800 bis 1900 Eizellentnahmen pro Jahr durchführt.

Die Europäische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin schätzt, dass es in Europa jährlich mehr als 1000 Behandlungszyklen je eine Million Einwohner gibt und in Deutschland ein bis zwei von hundert Kindern Retortenbabys sind. Umgerechnet auf Hamburg wären das im Jahr 2008 bei 16 751 Geburten zwischen 167 und 334 Kinder.

Viele Frauen unterschätzen die Auswirkungen des Alters

Die Gründe, warum Paare auf die künstliche Befruchtung zurückgreifen, sind vielfältig. Bei der Frau kann es daran liegen, dass die Eileiter zum Beispiel aufgrund von Entzündungen nicht mehr richtig funktionieren oder dass sie an einer Endometriose leiden, bei der sich Inseln von Gebärmutterschleimhaut außerhalb des Uterus auf anderen Organen ansiedeln. Bei den Männern ist meistens eine schlechte Spermienqualität die Ursache. Und oft bleibt die Ursache für die Unfruchtbarkeit auch unklar. "Weltweit findet sich bei fünf bis zehn Prozent aller Paare, die eine künstliche Befruchtung durchführen lassen, kein erklärlicher Grund für die Sterilität" , sagt Naether und gibt auch zu bedenken, dass viele Frauen die Auswirkung des Alters unterschätzen, denn schon nach dem 27. Lebensjahr steige die Rate der Fehlgeburten.

Wenn sich ein Paar für diese Kinderwunschbehandlung entscheidet, wird zunächst nach dem Grund für die Unfruchtbarkeit gefahndet. Das bedeutet Untersuchungen der Hormone und der Eileiter bei Frauen und der Spermien bei Männern.

Damit die Behandlung Aussicht auf Erfolg hat, müssen in den Eierstöcken noch einige Eizellen vorhanden sein, und die Schleimhaut in der Gebärmutter muss so beschaffen sein, dass die Eizelle sich dort einnisten kann. "Das heißt, die Frau darf noch nicht kurz vor den Wechseljahren stehen", sagt der Reproduktionsmediziner. Zudem sollte das Paar konsequent auf Nikotin verzichten. "Sowohl aktives wie passives Rauchen reduziert die Schwangerschaftsrate um 50 Prozent."

Übergewicht wirkt sich ungünstig auf die Schwangerschaftsrate aus

Ungünstig ist auch, wenn die Frau übergewichtig ist. Der Body Mass Index (Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern) sollte unter 30 liegen. Naether: "Bei stärkerem Übergewicht werden mehr Hormone benötigt, um die Eierstöcke vor der Eizellentnahme zu stimulieren, und auch das Absaugen der Eizellen ist bei stark übergewichtigen Frauen gefährlicher. Außerdem steigt bei einem BMI von mehr als 30 die Fehlgeburtsrate stark an." Auch bei Männern wird die Spermienqualität durch starkes Übergewicht negativ beeinflusst. Stress macht sich nur bei Männern als ungünstiger Faktor bemerkbar. Frauen müssen sich nicht von Stress fernhalten und können ihr normales Leben weiterführen."

Im Durchschnitt sind etwa 30 Prozent aller Befruchtungsversuche erfolgreich

Die Erfolgsraten der künstlichen Befruchtung sind vor allem vom Alter der Frauen abhängig und damit vom Alter der Eizellen. Außerdem ist die Schwangerschaftsrate, die erreicht wird, in den einzelnen IVF-Zentren in Deutschland sehr unterschiedlich. "In unserem Zentrum liegt die Schwangerschaftsrate pro Zyklus, in dem man die Embryonen überträgt, bei 25- bis 30-Jährigen bei 45 Prozent und damit weit über dem Bundesdurchschnitt", sagt Naether. Normalerweise liegt laut dem deutschen IVF-Register die Chance, bei regelmäßigen Geschlechtsverkehr an den fruchtbaren Tagen schwanger zu werden, bei gesunden Paaren bei 27 bis 30 Prozent pro Zyklus.

Die meisten Frauen werden in den ersten drei Zyklen schwanger. Nur bei zwei Prozent hat es danach länger als ein Jahr gedauert. Mit medizinischer Hilfe kam es 2008 bei einer konventionellen IVF in 30 Prozent aller Embryonentransfers zu einer Schwangerschaft, beim ICSI bei 28,4 Prozent. Bei einem Kryotransfer lag die Erfolgsquote bei 17,9 Prozent.

Die deutschen Nobelpreis-Träger für Medizin seit 1901