Britischer Forscher Robert G. Edwards wird für die Reagenzglas-Befruchtung geehrt

Stockholm. 32 Jahre nach der ersten Geburt eines Retortenbabys erhält der britische Wissenschaftler Robert G. Edwards den Medizin-Nobelpreis für die Entwicklung der Reagenzglas-Befruchtung. Das Nobelpreis-Komitee in Stockholm lobte die Arbeit des heute 85 Jahre alten Physiologen als Meilenstein der modernen Medizin. Etwa vier Millionen Menschen seien bislang weltweit durch die künstliche Befruchtung geboren worden.

Das erste Reagenzglas-Baby Louise Joy Brown kam am 25. Juli 1978 in Oldham bei Manchester zur Welt. "Das ist eine fantastische Nachricht!", kommentierte Brown die Nobelpreis-Vergabe. "Mama und ich sind so glücklich, dass einer der beiden Pioniere der künstlichen Befruchtung die Aufmerksamkeit bekommen hat, die er verdient." Edwards hatte zunächst die embryonale Entwicklung bei Mäusen und Kaninchen untersucht, bevor er sich der Reproduktionsmedizin zuwandte. Zusammen mit dem 1988 verstorbenen Gynäkologen Patrick Steptoe machte er die In-vitro-Fertilisation (IVF), also die Befruchtung im Reagenzglas, praxisreif.

Die Technik war zunächst höchst umstritten; vor allem die Kirchen protestierten gegen den "Eingriff in die Schöpfung". Heute gehört die Methode zum medizinischen Standard und hilft damit einer Vielzahl von verzweifelten Menschen - mehr als zehn Prozent aller Paare weltweit können auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen. Studien haben bestätigt, dass Kinder aus künstlichen Befruchtungen sich genauso gesund entwickeln wie ihre Altersgenossen, die auf natürliche Weise empfangen wurden.

Der Medizin-Nobelpreis ist mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (1,09 Mio. Euro) dotiert. Er kommt für Edwards sehr spät. Seine Frau nahm gestern die frohe Botschaft für ihn entgegen. Edwards gehe es nicht gut, sagte Göran Hansson vom Nobelpreis-Komitee. "Ich habe mit seiner Frau gesprochen, und sie war begeistert. Sie war sicher, dass er auch begeistert sein wird."

Vier Jahre nach der Geburt von Louise Joy Brown war einer Gruppe von Wissenschaftlern in Erlangen die erste künstliche Befruchtung in Deutschland gelungen. Am 16. April 1982 kam ein 4150 Gramm schwerer Junge zur Welt - mehr ist von ihm bis heute nicht zu erfahren. In Deutschland freut man sich jetzt für den britischen Forscher. "Wir haben schon vor vielen Jahren den Vorschlag gemacht", sagt Wolfgang Würfel, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin. Es sei immerhin "ein kühner Ritt" gewesen, den Edwards und Steptoe gewagt hätten. Insofern stelle der Nobelpreis nun "eine große Genugtuung dar", auch für die deutschen Endokrinologen und Fortpflanzungsmediziner. Allein in Deutschland dürften in den vergangenen 30 Jahren mehr als 350 000 Kinder mittels IVF gezeugt worden sein.

Der Vatikan hat den Nobelpreis für Edwards scharf kritisiert. Das sei "überhaupt nicht in Ordnung", sagte Ignacio Carrasco de Paula, Leiter der päpstlichen Akademie für das Leben. Ohne den britischen Wissenschaftler gäbe es "keinen Markt, auf dem Millionen von Eizellen verkauft werden". Zudem würde "nicht eine Vielzahl von Kühlschränken gefüllt mit Embryonen" existieren. Der Geistliche: Eizellen und Embryonen würden in den meisten Fällen aufgegeben und dann sterben. Dafür sei Edwards verantwortlich.