Arbeiter berichten von verheerenden Zuständen auf Ölplattformen in der Nordsee. Aufsichtsbehörde erteilt weiter Genehmigungen.

Oslo. "Valhall ist unter ständiger Entwicklung, und man erwartet eine Förderung bis zum Jahr 2050. Eine neue Hightech-Produktion und ein Hotel werden 2010 installiert werden." So großartig präsentiert der Öl-Multi BP im Internet seine Aktivitäten auf dem zu Norwegen gehörenden Nordseesockel "Valhall".

Die Wirklichkeit ist offenbar eine ganz andere. Arbeiter haben sich - anonym - der norwegischen Zeitung "Dagbladet" anvertraut und von verheerenden Zuständen auf den Valhall- Bohrplattformen berichtet. "Valhall ist als der größte Schrotthaufen der Nordsee bekannt. Die Pflege der Anlagen ist minimal, BP sucht alle Wege, um die Kosten so gering wie möglich zu halten", heißt es da. So sollen zum Beispiel Bakterien die Rohre von innen quasi auffressen. Nur noch die Farbe würde die Rohre stellenweise zusammenhalten. "Ein Arbeiter sollte die Farbe abkratzen, auf einmal kam ein Ölstrom heraus. Die Rohre sind so verrostet, dass man sie nicht einmal mehr auseinanderschrauben kann", so ein Mitarbeiter.

Die Ölproduktion im norwegischen Teil der Nordsee wird von der staatlichen "Petroleumsaufsichtsbehörde" - Ptil genannt - überwacht. Bei Ptil weiß man seit Langem, dass im Valhall-Bohrgebiet nicht alles so sicher läuft, wie es zu erwarten ist: BP wurde bereits im Jahr 2008 verwarnt. Der Grund: Die Bohrplattformen wurden in keinster Weise gepflegt und in Ordnung gehalten. Viele Konstruktionen sind alt, überholt und müssten längst ausgetauscht werden. Auch die Evakuierungspläne für die Arbeiter waren nicht einwandfrei.

Allerdings kämpft nicht nur BP mit dem Problem überalterter Plattformen, auch die anderen Ölgesellschaften, die in der Nordsee vertreten sind, lassen sich Zeit mit dem Austausch der Maschinerie. Inger Anda, Pressesprecherin von Ptil: "Ungefähr die Hälfte aller Installationen in der Nordsee haben ihre ursprünglich angedachte Lebenszeit bereits überschritten. In zehn Jahren wird es noch 25 weitere Plattformen geben, die einfach zu alt sind."

Die Anzahl der "Fast-Unglücke" nimmt deshalb auch ständig zu: 2009 gab es auf Gasplattformen 15 Lecks, an Ölplattformen kam es bereits in diesem Jahr bei Bohrungen zu mehreren Risikosituationen. Dann stellte sich auch noch heraus, dass eine Bohrung des Unternehmens Statoil wahrscheinlich bereits seit 1997 undicht ist. Man fürchtet, dass alle Brunnen, die zwischen 1990 und 2008 gebohrt wurden, die gleichen technischen Mängel haben. Trotzdem verlängert Ptil die Zulassung der Bohranlagen immer wieder und hat auch BP eine neue Zweijahresverlängerung gegeben. "Die Unternehmen sind verantwortlich. Wir führen nur die Aufsicht, aber wir sind nicht die Polizei", heißt es dazu von Ptil.

Bei BP kann man die Aufregung nicht verstehen. Olav Fjellsaa ist Kommunikationsdirektor bei BP Norwegen und weist die Vorwürfe zurück: "Wenn es wirklich so schlimm wäre, wie es heißt, hätte Ptil etwas unternommen. Es wird immer etwas geben, was man verbessern kann, und wir arbeiten daran. Bis zum Herbst wird vieles besser aussehen." Auch darüber, dass man BP lückenhafte Evakuierungspläne vorwirft, kann er nur den Kopf schütteln: "Wir machen in der Nordsee alles ganz genauso wie im Golf von Mexiko."

Genau dieser Satz rief am Montag in Norwegen die Umweltschützer auf die Barrikaden. Fredric Hauge, Gründer und Leiter der Organisation "Bellona": "Man kann nun wirklich niemanden damit beruhigen, dass man sagt, man mache alles ganz genauso wie im Golf von Mexiko. Ich hoffe, dass die Petroleumsaufsicht einen Bericht vorlegt. Denn diese alten Plattformen sind wirklich ein Problem."

In Hamburg bestätigt derweil Christian Bussau, Ölexperte von Greenpeace, die Lage in der Nordsee. Zwar kenne er den aktuellen Bericht nicht. "Aber ich bin gerade über die nördliche Nordsee geflogen und habe gesehen, dass viele der Plattformen in Ölteppichen stehen."