Zum Jahreswechsel 2000/2001 stand in der Hauptschulklasse 9 der katholischen Schule St. Paulus in Billstedt das Thema “Nationalsozialismus“ auf dem Stundenplan. Als die Schülerinnen und Schüler über Zwangsarbeit in der Nazi-Zeit sprachen, war das Thema auch in den Medien aktuell. Berichtet wurde über das Finanzdefizit im “Fonds der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft“. Die Klasse war betroffen vom Schicksal der Menschen, die damals verschleppt und zur Arbeit gezwungen worden waren, und bestürzt über die mäßige Beteiligung der Unternehmen bei der finanziellen Entschädigung für die noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter.

"Da haben wir gesagt: Wir wollen ein Zeichen setzen", erzählt Marina Lewandowsky (16). Mit ihrem Entschluss wandte sich die Klasse an ihren Lehrer Christian Beier. "Was mich sehr beeindruckt hat, war, dass die Klasse nicht nur den Wunsch hatte, etwas zu tun, sondern auch den festen Willen, ihr Projekt durchzuziehen", sagt der Klassenlehrer. Im Unterricht besprachen sie gemeinsam, wie sie aktiv werden könnten. "Wir dachten daran, Geld für den Stiftungsfonds zu sammeln, und kamen schließlich auf die Idee, selber zu arbeiten", ergänzt Marina. Die Klasse fertigte ein Flugblatt an, mit dem sie die geplante Aktion öffentlich machte. Schülerin Nathalia Bach hatte die Idee für das Motto: "Aktion Rose". "Wenn eine Rose aufgeht, dann ist sie schön, trotz ihrer Dornen. Etwas Positives sollte auch unser Projekt sein", erklärt Alin Radonic (17). Nathalia Bach entwarf auch das Logo einer Rose, das auf Buttons gedruckt und als Solidaritätszeichen verkauft wurde. Bei der Suche nach einer Firma, die alle Schülerinnen und Schüler für einen Tag beschäftigt, wurde die Klasse zunächst enttäuscht. Viele der angefragten Firmen zeigten kein Interesse. Nach einem Aufruf in Presse und Rundfunk bekam die Klasse schließlich ein Angebot von der Firma Deiters & Florin in Curslack. "Wir haben dort Gläser und Konservendosen aufs Fließband gestellt, eine richtige Knochenarbeit", erzählt Alin. Doch das war den Schülerinnen und Schülern die Sache wert. Jeder aus der Klasse einschließlich Klassenlehrer arbeitet je eine Schicht, insgesamt verdienten sie 1320 Mark, die Firma rundete auf 2000 Mark auf. Mit weiteren Spenden konnten die Jugendlichen 3000 Mark in den "Fonds der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" einzahlen. Dass die Klasse so viel Geld zusammenbekam, hat sie selber überrascht. Als besondere Ehre empfanden es die Jugendlichen jedoch, dass sich auf Grund ihrer Aktion zwei ehemalige Zwangsarbeiter mit ihnen zum Gespräch treffen wollten. Die 1944 aus Polen nach Hamburg verschleppte Alina Piatkowska und der Ukrainer Andrzej Karaban waren auf Einladung des Senats im April 2001 in die Hansestadt gekommen. Die Klasse wurde zu einer Gesprächsrunde eingeladen, in der die beiden alten Menschen ihre Geschichte erzählten und viele Fragen beantworteten. "Sie haben uns gesagt, dass sie viel von dem Leid und der Furcht nicht vergessen können", berichtet Alin, "aber über unser Engagement haben sie sich aufrichtig gefreut." Stolz sind die Schülerinnen und Schülern auf das, was sie geschafft haben: "Wir wollten etwas für die Wiedergutmachung tun, und jeder in der Klasse hat sich daran beteiligt", sagt Marina. Das hat auch die multinationale Klassengemeinschaft gestärkt. Mehrere Schülerinnen und Schüler stammen aus Polen, Portugal, Armenien, Serbien und Kroatien. Inzwischen haben alle die Schule verlassen. Zu guter Letzt hat die Klasse eine Rose an der Schulmauer gepflanzt: als Erinnerung an das eigene Projekt und als Anregung für neue Aktivitäten.