Bei der Neugestaltung geht es auch um den deutschen Blick auf die nordamerikanischen Ureinwohner.

Die besten Freunde des roten Mannes leben in Mitteleuropa. Nirgendwo sonst in der Welt ist der Mythos der Indianer so lebendig wie hier. Nirgendwo sonst außerhalb von Amerika gibt es so zahlreiche Sammlungen zur Kultur der nordamerikanischen Ureinwohner. Nach Jahren ist das Museum für Völkerkunde jetzt dabei, seine Indianer-Abteilung völlig neu zu gestalten. Dabei wird es einerseits um die Präsentation der in mehr als 100 Jahren zusammengetragenen Sammlung gehen, zugleich aber auch um den deutschen Blick auf die Indianer, auf die Faszination, die sich noch immer mit ihnen verbindet.

"Natürlich spielt Karl May dafür eine wichtige Rolle, aber die Liebe der Deutschen zu den Indianern hat er keineswegs begründet, sie reicht viel weiter zurück", erklärt Museumsdirektor Wulf Köpke und erwähnt den Ethnologen Maximilian zu Wied-Neuwied und den Schweizer Grafiker Carl Bodmer. In den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts hatten die beiden Europäer Nordamerika bereist und anschließend das Buch "Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834" herausgebracht - mit bemerkenswertem Erfolg. Maximilian zu Wied-Neuwied beschreibt darin Fauna, Flora, Landschaften und Städte, vor allem aber das Leben der nordamerikanischen Prärieindianer. Seine anschaulichen Texte, verbunden mit Bodmers Illustrationen, begründeten die deutsche Indianerbegeisterung, die bis heute anhält. Charles Sealsfield, der in Wahrheit sehr viel bodenständiger Karl Anton Postl hieß, der in Hamburg geborene Friedrich Gerstäcker und Heinrich Balduin Möllhausen bereiteten mit ihren spannenden Abenteuerbüchern den Weg, auf dem schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts Karl May mit Millionenauflagen enorme Erfolge feiern konnte. Auffällig an den "deutschen" Indianer-Figuren ist, dass sie fast durchweg positiv dargestellt wurden, ganz anders als die grausamen Wilden, als die sie - mit wenigen Ausnahmen wie James Fenimore Cooper - in der amerikanischen Literatur erscheinen.

Der idealisierenden deutschen Rezeption stehen in der neuen Indianerabteilung die authentischen Zeugnisse der amerikanischen Ureinwohner gegenüber. "Im Moment sind wir dabei, die Bestände zu sichten. Sie kommen aus unterschiedlichen Quellen und Zeiten. Leider haben wir auch große Kriegsverluste. Dennoch ist die Sammlung von hoher Qualität", sagt Kuratorin Christine Chavez. Für einen Teil davongibt es Karteikarten, die meist auch mit Zeichnungen und Beschreibungen versehen sind. Wichtige Objekte kamen durch Frederick Weygold ins Haus, der im Auftrag des Museums Anfang des 20. Jahrhunderts mehrere Reservate besuchte und die Kultur sowie das alltägliche Leben der Indianer erforschte. Von ihm stammen auch zahlreiche Fotografien, die u. a. die komplizierte Zeichensprache der Lakota dokumentieren. Die frühen Bestände kamen zum Beispiel von den sogenannten Völkerschauen in Museum. Dabei handelte es sich um Gruppen von Indianern und Angehörigen anderer Ethnien, die u. a. in Hagenbecks Tierpark öffentlich zur Schau gestellt wurden und manchmal auch theaterähnliche Vorführungen gaben.

Bedeutende Objekte stammen von dem Hamburger Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg, der 1895/96 die Pubelo-Indianer besuchte und auf dieser Forschungsreise zahlreiche Artefakte erwarb. Ein Teil davon ging im Krieg verloren, wichtige Stücke blieben jedoch erhalten, zum Beispiel Keramiken der Pueblo-Indianer. In der Nachkriegszeit, als das Museum noch über einen nennenswerten Erwerbungsetat verfügte, konnte die Nordamerika-Abteilung weiter aufgebaut werden. Damit trug man damals gewiss auch dem Interesse des Publikums Rechnung.

"Wichtig ist uns, dass wir bei der Gestaltung der neuen Ausstellung nicht nur unsere eigenen wissenschaftlichen Kenntnisse einbringen, sondern auch auf den Rat derer hören, um die es hier gehen soll", sagt Prof. Köpke und erwähnt David Seven Deers. Der kanadische Indianer vom Stamm der Skwah Sto-Io Halkomelen, der in den 90er-Jahren den großen Totempfahl vor dem Museumsgebäude geschnitzt hat, reist eigens nach Hamburg, um die Museumsmitarbeiter zu beraten. Das ist umso wichtiger, weil es in der Ausstellung nicht allein um die kulturgeschichtlichen Zeugnisse der Indianer gehen soll, sondern auch darum, wie die amerikanischen Ureinwohner heute leben und wie es ihnen gelingt, ihre Traditionen zu bewahren und sich dennoch in der oft schwierigen gesellschaftlichen Wirklichkeit der USA und Kanadas zu behaupten.


Neu gestaltete Indianer-Abteilung im Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64. Die Abteilung wird Ende des Jahres eröffnet.