Braucht Hamburg eine zentrale Ausstellungshalle? Professor Rainer-Maria Weiss hält sie für notwendig.

Museumswelt:

Sie sind der Meinung, dass Hamburg eine große Ausstellungshalle braucht. Reichen die bisherigen Ausstellungsmöglichkeiten nicht aus?

Prof. Rainer-Maria Weiss:

Hätten wir in Hamburg eine solche zentrale Ausstellungshalle, wie es sie etwa in Berlin oder Bonn gibt, könnten wir Großausstellungen nach Hamburg holen, die zurzeit hier nur schwer realisierbar sind. Angedacht war so etwas ja mit dem Internationalen Archäologiezentrum auf dem Domplatz, das aber längst wieder vom Tisch ist. Es hätte in bester Zentrumslage als große Ausstellungshalle nicht nur für archäologische Großausstellungen fungieren, sondern auch anderen Ausstellungen zur Verfügung stehen können.



Museumswelt:

Für die Skythen-Schau musste das Museum für Kunst und Gewerbe den Schümann-Flügel teilweise räumen, auch die Kunsthalle hat keine Sonderausstellungsfläche, auf der sich ein Projekt wie die Rothko-Retrospektive realisieren ließe.

Weiss:

Das ist auch im Hamburgmuseum, in Altona und in anderen Häusern nicht viel anders. Daher wäre es in der Tat wünschenswert, wenn es in Hamburg eine Stelle geben würde, die für jeden Touristen gut erreichbar ist, wo jeder weiß, dass hier unabhängig vom jeweiligen Thema eine spannende Ausstellung zu sehen ist. Das ist bei der Bundeskunsthalle in Bonn so, das ist auch beim Gropius-Bau in Berlin so und ich finde, dass so etwas auch für Hamburg außerordentlich wünschenswert wäre.



Museumswelt:

Um welche Ausstellungsformate geht es?

Weiß:

Zum Beispiel um Goddios "Versunkene Schätze", die mit außerordentlichem Erfolg im Gropiusbau zu sehen waren. Das Organisationsteam um Goddio hatte erwogen, Hamburg als erste Station für ein nicht minder spektakuläres Nachfolgeprojekt auszuwählen, musste aber feststellen, dass es dafür keine geeigneten Räumlichkeiten gibt. Das ist für die zweitgrößte deutsche Stadt, die sich auch als Kulturmetropole begreift, nicht angemessen.



Museumswelt:

Gibt es in der Politik dafür ein Problembewusstsein?

Weiss:

Im Moment spüre ich das nicht. Schließlich war es schwer genug, die Museen zu entschulden und einige Häuser haben nach wie vor große Schwierigkeiten, den laufenden Betrieb und dazu noch aufwendige Sonderausstellungen zu finanzieren. Da passen solche Überlegungen natürlich nicht in die Landschaft. Ich weiß auch nicht, wie ein solches Projekt unter den gegenwärtigen Bedingungen finanziert werden könnte. Das ändert aber nichts daran, dass ich es für notwendig halte.



Museumswelt:

Zu den Vorschlägen der Expertenkommission zur Neustrukturierung der Hamburger Museumslandschaft gehörte auch ein gemeinsames Depot, der "Kulturspeicher". Wäre eine gemeinsame Ausstellungshalle nicht ein ganz ähnliches Projekt, das ebenfalls Synergien ermöglichen würde?

Weiss:

Das ist ein interessanter Vergleich, der übrigens auch vom finanziellen Volumen - es geht um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag - vergleichbar wäre. Allerdings gibt es auch Unterschiede: Während der Kulturspeicher von allen Hamburger Museen gewünscht wird, nicht zuletzt auch um Depotfläche künftig für Ausstellungen nutzen zu können, haben sicher nicht alle Häuser gleichermaßen Interesse daran, große Ausstellungen in einer solchen zentralen Halle zu präsentieren.



Museumswelt:

Was spricht Ihrer Meinung dennoch dafür?

Weiss:

Wenn Hamburg international mitspielen will, braucht es perspektivisch eine solche Halle: Die wirklich großen und spektakulären Ausstellungen haben bestimmte räumliche und technische Voraussetzungen, die in Hamburg gar nicht gewährleistet werden können - weder von den Flächen, noch von den höchsten musealen Standards, auf die internationale Leihgeber größten Wert legen. Eine solche Infrastruktur kann nur eine neue Halle gewährleisten.



Museumswelt:

Muss das nicht zwangsläufig eine Illusion bleiben?

Weiss:

Es ist zumindest ein Vision. Ich bin schon der Meinung, dass man über den Tellerrand hinausblicken sollte. Und warum sollte Hamburg nicht doch in Zukunft die Chance nutzen als Ausstellungsstandort international in der ersten Liga mit zu spielen?