Die Schau umfasst 25 Ensembles und Serien des Schweizer Künstlerduos von 1979 bis heute.

"Kann sich die Wahrheit alles erlauben?" Wenn es denn die eine einzige gültige Wahrheit gäbe, vielleicht. Aber diese Annahme ist absurd. Das wissen Peter Fischli und David Weiss und stellen deshalb lieber absurde Fragen. Oder auch ganz einfache. "Findet mich das Glück? Kommen Meinungen von selbst? Herrscht tiefer Friede in meiner Wohnung, wenn ich nicht da bin? Kommt noch ein Bus?"

Kunst muss immerzu Fragen stellen. Fischli und Weiss werfen ihre alle in einen großen Topf. Der "Große Fragentopf" ist Teil des Ensembles der weißen Skulpturen und steht vage schimmernd in einem geheimnisvoll abgedunkelten Raum in den Deichtorhallen. Die mystische Anmutung weicht aber schnell der Erheiterung schaut man ins Innere des brusthohen Gefäßes und liest die darin säuberlich aufgeschriebenen Sätze.

Das Unerwartete, Überraschende und oftmals Urkomische gehören ganz selbstverständlich zum Werk der beiden Schweizer Künstler. Mit der Ausstellung "Peter Fischli/David Weiss. Fragen & Blumen" widmen die Hamburger Deichtorhallen jetzt dem Künstlerduo eine umfassende Retrospektive. Aufgeteilt in 15 großzügig bemessene Räume zeigt die Schau 25 Ensembles und Serien aus der Zeit von 1979 bis heute. Darunter Fotografien aus der hinreißenden Wurstserie, und die kleinen Tonskulpturen aus "Plötzlich diese Übersicht". Außerdem raumgreifende Installationen, Skulpturen, Filme und Fotografien. Im Mittelpunkt aber steht ein Publikumsliebling. Der Film "Der Lauf der Dinge", erstmals zur documenta 8 im Jahr 1987 präsentiert, avancierte längst zum populärsten Künstlerfim überhaupt. Und das, obwohl die akribisch inszenierte Kettenreaktion mit gänzlich unpopulistischen Mitteln arbeitet.

"Peter Fischli und David Weiss sind die einzigen Schweizer Künstler, die international erfolgreich wurden, ohne emigrieren zu müssen", sagt Brice Curiger vom Kunsthaus Zürich und trifft damit den lakonisch-ironischen Ton, der diese Ausstellung kennzeichnet. Die von ihr initiierte Schau wurde bereits in London, Paris, Zürich und Mailand gezeigt. Die Präsentation in Hamburg bildet den Abschluss und gibt damit wahrscheinlich für viele Jahre die letzte Gelegenheit, das Werk der beiden Künstler im Überblick zu sehen.

Den Erfolg haben Fischli/Weiss sicher der Unmittelbarkeit ihrer Werke zu verdanken. Ihre Arbeiten benötigen keine ausschweifenden Interpretationen. Und die beiden seriös gekleideten Herren mit nun schon ergrauten Haaren haben - wie sich zur Ausstellungseröffnung in Hamburg zeigte - auch gar keine Lust Erklärungen zu geben.

Das Menschliche an der Kunst von Peter Fischli und David Weiss entwaffnet. Zugleich versetzt ihr Einfallsreichtum und die Präzision, mit der sie ihre spitzfindigen Ideen ausbreiten in Erstaunen. Das Alltägliche, Banale steht dabei im Zentrum ihres Interesses.

Schon zu Beginn ihrer Zusammenarbeit im Jahr 1979, als die Kunst noch ernst und intellektuell zu sein hatte, widmeten sie sich lieber unmöglichen Konstruktionen aus Küchenutensilien, die dann so schöne Titel bekamen wie "Natürliche Grazie" oder spielten Modenschau mit Würstchen.

Das Spiel als Gegenentwurf zu einer entzauberten Welt - welche verblüffenden Ergebnisse dabei zustande kommen können, machen Fischli/Weiss auf unvergleichliche Weise vor. Wenn der Wirklichkeitsbegriff dabei ins Schwanken gerät, umso besser. So deuten sie mit der aus Hunderten von kleinen Tonskulpturen bestehenden Serie "Plötzlich diese Übersicht" keck die Geschichtsschreibung um. In fast kindlicher Manier geknetet sehen wir "Anna O. beim träumen des Traumes, der von Freud als erster gedeutet wurde". Oder "Mick Jagger und Brian Jones befriedigt auf dem Heimweg, nachdem sie 'I can't get no Satisfaction" komponiert haben. Ein Würmchen, als gekneteter Klumpen kaum auszumachen, stellt den "Letzten Dinosaurier" dar und ein gemütlich im Ehebett schlummerndes Paar "Herr und Frau Einstein, nachdem sie Albert gezeugt haben". Respektlos ist diese Kunst nicht. Sie verschiebt nur anmutig die Perspektiven.

Manchmal allerdings lässt sich die List der beiden nicht so leicht durchschauen. So zeigt eine neuere Installation mit dem Titel "Tate" eine Ateliersituation. Auf vielen Metern ausgebreitet liegen da Dachlatten herum und Bohrmaschinen, es gibt Tische mit Radios, Aschenbecher, Farbtuben und Pizzaverpackungen. Ein Konglomerat von nur scheinbar echten Dingen.

Denn gekonnt drehen hier Fischli/Weiss den Begriff des Readymade um. Diese Dinge bestehen aus Polyurethan und wurden von den beiden Künstlern in wahrscheinlich jahrelanger Arbeit geschnitzt und bemalt. Auch Zeit haben gehört zum liebenswerten Prinzip der beiden.


Peter Fischli/David Weiss. Fragen und Blumen Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstraße 1-2, bis 31.8., Di-So 11-18 Uhr, Katalog 29 Euro.