Diese Schau zeigt “Stilliegende Sachen“ mal anders: als Spiel mit der Wahrnehmung.

Stillleben einmal aus anderer Perspektive: Nicht nur die geheimen Bedeutungen von Blüten und Früchten, vor allem einen "Spiegel geheimer Wünsche" möchte die Kunsthalle ihrem Publikum vorhalten. Unter diesem Thema präsentiert sie eine Auswahl ihrer weit über 300 Werke umfassenden Stilllebensammlung. Zusammen mit prominenten Leihgaben werden Bilder von 125 Künstlern gezeigt: opulente, blumige, trickreiche oder einfach nur schöne aus dem 17. Jahrhundert bis heute. Mit ihnen soll, so Martina Sitt von der Kunsthalle, die "Frage der Begehrlichkeiten, die beim Betrachter geweckt werden, aufgeworfen werden".

"Stilliegende Sachen", informiert ein Universal-Lexikon aus dem 18. Jahrhundert, "heißen in der Mahler-Kunst und Architectur mancherly unbewegliche Dinge, als Blumen, Früchte, Speisen, todte Tiere, welche in angenehmer Ordnung liegend vorgestellt, und nach dem Leben abgebildet werden." Aber was heißt "nach dem Leben"? Sieht man genauer hin, bilden Stillleben nicht immer nach dem Leben ab. Räumlichkeiten erweisen sich als reine Konstrukte, manche Dinge sind zu kurz, manche zu lang. Es scheint, dass der betrachtende Mensch vor lauter Sinnesbetörung die Unstimmigkeiten und auch Mängel wie fehlende Lichtreflexe ignoriert. Ein Schwerpunkt der Ausstellung widmet sich diesem trickreichen Spiel mit der Wahrnehmung.

Wenig ist überliefert von den Wünschen der Auftraggeber älterer Stillleben. Wollten sie ihrer Passion, etwa dem Jagen, Ausdruck verleihen? Suchten sie nach Dekorationsbildern wie Barockfürsten? Oder manifestierten Stillleben eine Frühform des "interesselosen Wohlgefallens", wie es 1707 der ratlose niederländische Maler Gerard de Lairesse angesichts der Stillleben des Wilhelm Kalf mit ihren "Pfersichen und Pomeranzen" andeutet: "Nie weiß man, was er eigentlich damit ausdrücken will."

Auch die jüngere Forschung bestätigt, dass Stillleben nicht nur der symbolischen Aussage zuliebe in Auftrag gegeben wurden. Totenkopf und Sanduhr mögen eingängige Symbole für Vergänglichkeit darstellen, aber es gibt auch andere Gründe, stille Dinge zu zeigen. Wenn etwa Jakob Gillig in einem Stillleben von 1674 die Meeresfrüchte des Utrechter Fischmarktes in breiter Vielfalt darbietet, dann mag ihn ein ähnliches Erkenntnisinteresse wie 1641 den Pädagogen Johann Amos Comenius geleitet haben, der "in vernünftiger Entfernung, nicht seitlich, sondern unmittelbar vor Augen" die Dinge erfasst sehen wollte.

Stillleben tischen uns wortwörtlich die sinnfälligsten Dinge aus Natur und Kultur auf: wertvolle Tücher und Porzellan, Prunkgefäße, Bücher, Tiere, Pflanzen, vor allem Blumen. Ihr Spektrum in der Ausstellung reicht vom holländischen Frühstücksstillleben, dem ontbijtje, über Fasten- und Tierstillleben, trompe l'oeil-Bildern bis hin zu den zeitgenössischen Fallen-Arbeiten von Andreas Slominski. Für die älteren Stillleben stehen Namen wie Pieter Claesz, Abraham van Beyeren und Claesz Heda. Gustave Courbet und Claude Monet repräsentieren Meister des 19., Max Beckmann, Juan Gris und Georges Braques die des 20. Jahrhunderts. Zeitgenössisches liefern unter anderen Wolfgang Tillmans, Jett Wall sowie Bernhard Prinz.

Neben der kunsthistorischen Entwicklung der Stillleben und ihrer Vielfalt widmet sich der "Spiegel geheimer Wünsche" spezifischen Themen wie "Vanitas", "Jagdtrophäen", "Spiegelungen" oder "Kuriositäten". Ein großer Raum mit einem umlaufenden Regal mit bislang ungezeigten Werken unterschiedlichster Herkunft soll das Publikum zum eigenen Urteil anregen. Hintergründe bieten der Ausstellungskatalog, unter anderem mit einer "Enzyklopädie der Begehrlichkeiten" sowie der "Monat des Stilllebens" im September mit umfangreichem Begleitprogramm.


Spiegel geheimer Wünsche Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall: 6.6.- 5.10., Di-So, 10-18, Do bis 21 Uhr. Diese Ausstellung wird gefördert durch: ECE und Unilever .