Die Union ist sozialdemokratisiert, die SPD verbürgerlicht. Niemand will eine Fortsetzung der großen Koalition.

Gut 100 Tage vor der Bundestagswahl beginnt sich der Nebel, den die Große Koalition über sich und Deutschland verbreitete, langsam zu lichten. Die sozialdemokratisierte Union und die verbürgerlichte SPD besinnen sich allmählich wieder auf ihre Wurzeln und Stärken und beginnen, schon fast gänzlich abgeschliffene Konturen wieder auszuprägen.Die Union verabschiedet sich nach und nach vom Staatsinterventionismus, den sie um des Koalitionsfriedens willen allzu lange mitgetragen hat. Auch die Kanzlerin hat inzwischen gemerkt, dass zwar viele Menschen bei Opel arbeiten - die weitaus meisten aber anderswo. Auch die haben Sorgen und wissen, dass der Staat nicht immer und überall retten kann. Im Wahlprogramm der Union wird wenigstens das vage Versprechen von Steuererleichterungen enthalten sein. Alles andere als ein großer Wurf, aber wenigstens ein Richtungshinweis.

Die SPD hat auf ihrem Parteitag am Sonntag alle anderen Parteien rechts von sich als neoliberale Versager zu geißeln versucht und fordert Steuererhöhungen zugunsten der Bildung. Weitere Firmenrettungen als steuerfinanzierte Wahlkampfveranstaltungen mögen verlockend sein. Die Wähler sehen das so zwiespältig wie die Politiker selbst, wissen aber nun zumindest, woran sie sind.

Und die potenziellen Koalitionspartner auch. Eine Fortsetzung des derzeitigen Bündnisses will im Moment niemand. Schwarz-Gelb gilt den einen als Wunschkonstellation. Rot-Grün den anderen. Die FDP kann sich keine Ampel vorstellen, die Grünen kein Jamaika-Bündnis mit Union und Liberalen. Die Linke will offiziell niemand. Wenn sie aber gebraucht werden sollte, dann nur von der SPD.

In ihrer Angst, Wähler zu verschrecken, waren die Parteistrategen vorsichtig genug bei der Formulierung ihrer Pläne. Aber die Lager sind nun sortiert.